Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Teilhabechancengesetzes liegen die Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation durch das IAB vor. Es stellt den beiden Förderinstrumenten nach § 16e und § 16i SGB II, die den Jobcentern seit 2019 zur Verfügung stehen, ein weithin positives Zeugnis aus. Sie erreichen überwiegend die anvisierte Zielgruppe arbeitsmarktferner Leistungsberechtigter und wirken im beabsichtigten Sinne. Gleichzeitig liefern die Ergebnisse wichtige Hinweise für eine zielführende Weiterentwicklung.

Fünf Jahre nach Einführung des Teilhabechancengesetzes hat das IAB die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Evaluation veröffentlicht (lesen Sie hierzu den IAB-Forschungsbericht 4/2024). Damit stellt es den beiden seit Jahresbeginn 2019 verfügbaren Lohnkostenzuschüssen „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ (§ 16e SGB II) und „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i SGB II) ein in wesentlichen Punkten positives Zeugnis aus.

Nach derzeitigem Forschungsstand ist die mit dem Teilhabechancengesetz initiierte Erweiterung des SGB-II-Förderportfolios gelungen. Gleichwohl sollte über eine gezielte Weiterentwicklung der bisherigen Ausrichtung und Ausgestaltung beider Instrumente nachgedacht werden. Darauf hatten sich auch die drei Parteien der aktuellen Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag verständigt und dies im Begründungsteil des Bürgergeld-Gesetzes bekräftigt. Dies ist Anlass genug, um zentrale Weiterentwicklungsbedarfe zu rekapitulieren, die sich aus der IAB-Begleitforschung ergeben.

Nomen est omen: Das Teilhabechancengesetz soll Erwerbsteilhabe dort ermöglichen, wo diese über Jahre der Arbeitslosigkeit verlorengegangen ist

Mit dem Problem der Verfestigung von Arbeitslosigkeit und Leistungsbezug geht das Teilhabechancengesetz eine der zentralen arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehungsweise des heutigen Bürgergelds an. Damit soll es zugleich den desintegrativen Folgen eines langjährigen Erwerbsausschlusses entgegenwirken.

Wie einschneidend diese Folgen für die unmittelbar Betroffenen und ihre Familien sind, hat die sozialwissenschaftliche Arbeitslosigkeitsforschung seit der berühmten Marienthal-Studie ein ums andere Mal belegt. Diese bereits 1933 erschienene Studie hat eindrucksvoll gezeigt, wie Langzeitarbeitslosigkeit Einsamkeit und passive Resignation befördert.

Ebenso gut belegt ist mittlerweile auch, dass eine staatlich geförderte Erwerbsarbeit geeignet sein kann, die vielfältigen manifesten und latenten Integrationsfunktionen regulärer Erwerbsarbeit zu kompensieren. Sie kann den Geförderten damit jene Teilhabeerfahrungen ermöglichen, die ihnen unter den Bedingungen langjähriger Arbeitslosigkeit verstellt waren.

Allerdings gilt dies nur, solange die Beschäftigung währt. Endet diese für die Geförderten ohne jede Anschlussperspektive, folgen also erneut Arbeitslosigkeit und Sozialleistungsbezug, so erodieren auch die Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe. Auch deshalb ist der Übergang in den ersten Arbeitsmarkt aus guten Gründen ein zentrales Ziel beider Förderinstrumente.

In diesem Sinne kann man das Teilhabechancengesetz, allen voran die Förderung „Teilhabe am Arbeitsmarkt“, als ein arbeitsmarktpolitisches Instrument mit sozialpolitischen Implikationen begreifen. Soll heißen: Das Gesetz erkennt nicht nur den langjährigen Arbeitsmarktausschluss eines Teils der Leistungsberechtigten und dessen desintegrative Folgen als relevantes Handlungsproblem des SGB II an. Das allein ist bereits als politischer Erfolg zu werten. Es baut darüber hinaus durch die Lohnkostensubvention relevante Einstellungshürden ab, um den andernfalls versperrten Zugang zum Arbeitsleben zu ermöglichen. Zugleich grenzt es sich aber von der Idee einer dauerhaften Förderung dezidiert ab.

Folglich handelt es sich bei „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ im engeren Sinne auch nicht um einen Sozialen Arbeitsmarkt, auch wenn dieses Label regelmäßig im Zusammenhang mit der Förderung verwendet wird. Mit einer Förderdauer von bis zu fünf Jahren soll „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ besonders arbeitsmarktfernen Leistungsberechtigten zwar für vergleichsweise lange Zeit eine öffentlich geförderte Beschäftigung bieten. Es nimmt damit durchaus Anleihen am Fördergedanken eines Sozialen Arbeitsmarkts.

Zugleich sollen die Geförderten im Sinne einer langen Anlaufbewegung aber auf den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Denn nur so kann ihre gesellschaftliche Teilhabe nachhaltig gesichert werden. Anders als dies in der wissenschaftlichen Debatte, aber auch in fachpolitischen Diskussionen bisweilen anklingt, sind Teilhabesicherung und Arbeitsmarktintegration daher keine Gegensätze, sondern zwei Seiten einer Medaille.

Beide Instrumente verbessern die soziale Teilhabe der Geförderten, bei der Arbeitsmarktintegration ist dies bislang nur für „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ nachgewiesen

Den Befunden des IAB zufolge gelingt die Verbesserung der sozialen Teilhabe der Geförderten zuverlässig. Dies spiegelt sich auch in ihrer größeren Lebenszufriedenheit und der Verbesserung anderer subjektiver Indikatoren wider. Offen ist bislang hingegen, wie stabil diese Effekte über die Zeit sind.

Gerade das nahende Ende der geförderten Beschäftigung dürfte viele Betroffene psychisch belasten, vor allem wenn erneut Arbeitslosigkeit und Sozialleistungsbezug drohen. Die durch die geförderte Erwerbsintegration ermöglichte Teilhabeerfahrung ist also fragil. Das war bereits eine der zentralen Einsichten der Evaluation des Beschäftigungszuschusses, einer zwischen 2007 und 2012 existierenden, der Förderung nach § 16i SGB II vergleichbaren Variante öffentlich geförderter Beschäftigung. Auch Befunde aus der Evaluation des Teilhabechancengesetzes deuten darauf hin, wie ein 2023 im IAB-Forum publizierter Beitrag von Miriam Raab zeigt.

Nachhaltig wirken kann das Teilhabechancengesetz – insbesondere mit Blick auf die Förderung sozialer Teilhabe – nur dann, wenn es gelingt, Anschlussperspektiven für die Geförderten zu erschließen. Und das heißt vor allem, Übergänge in ungeförderte Beschäftigung zu ermöglichen.

Soweit das bis dato mit Forschungsdaten belegt werden kann, gelingt dies bei „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ trotz der Arbeitsmarktferne der Zielgruppe überraschend gut. So ist die Beschäftigungswahrscheinlichkeit der Geförderten 26 Monate nach Förderbeginn um 36 Prozentpunkte höher als die der Vergleichsgruppe. Die vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass hierfür vor allem sogenannte Klebeeffekte verantwortlich sind, also direkte Übernahmen durch die im Falle von § 16e SGB II überwiegend privatwirtschaftlichen Arbeitgeber (lesen Sie dazu auch den IAB-Kurzbericht 13/2024).

Aufgrund der deutlich längeren Förderdauer konnten für die Förderung nach § 16i SGB II bislang noch keine Beschäftigungseffekte gemessen werden. Angesichts der deutlich arbeitsmarktferneren Zielgruppe und des deutlich kleineren Anteils privatwirtschaftlicher Arbeitgeber unter den Förderbetrieben ist jedoch davon auszugehen, dass die Effekte nicht vergleichbar groß ausfallen wie bei „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“.

Arbeitsmarktintegration ist Trumpf: Nur eine Anschlussbeschäftigung kann die Fördererfolge sichern

Im Zentrum der politischen Debatte um die Weiterentwicklung der Instrumente des Teilhabechancengesetzes sollten die Fragen stehen, wie die Anschlussperspektiven der Geförderten aussehen und wie diese verbessert werden können.

Im Lichte der vorliegenden Befunde dürfte es dafür entscheidend sein, die Beschäftigungsverhältnisse vorwiegend bei denjenigen Betrieben zu initiieren, die tatsächlich Anschlussperspektiven bieten können. Insbesondere dürfte dies auf (privatwirtschaftliche) Betriebe zutreffen, die tatsächlich Arbeitskräfte suchen und diese auch aus eigenen Mitteln entlohnen. Während bei „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ gut 67 Prozent der Geförderten in privatwirtschaftlichen Betrieben arbeiten, sind es bei „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ lediglich 35 Prozent.

Hoffnung macht in diesem Zusammenhang, dass die Jobcenter ihren Aufwand, eben solche Arbeitgeber auch für § 16i SGB II zu gewinnen, nicht deutlich höher einschätzen als im Falle der Förderung nach § 16e SGB II, wie Jan Gellermann und andere in einem aktuellen Beitrag für das IAB-Forum darlegen. Erfolgversprechend dürfte es zudem sein, wenn sich die Jobcenter in ihren Rekrutierungsbemühungen stärker auf Branchen mit hohem Arbeitskräftebedarf konzentrieren.

Zudem sollte die Bekanntheit der Instrumente bei den Arbeitgebern gesteigert werden. Betriebsbefragungen des IAB zufolge sind die Instrumente des Teilhabechancengesetzes rund 70 Prozent der Betriebe unbekannt. Zu diesem Ergebnis kommen Laura Pohlan und Philipp Ramos Lobato in einem Beitrag für das IAB-Forum aus dem Jahr 2023.

Ein qualifiziertes Coaching ist ein elementarer Baustein für die Integration der Geförderten in den ersten Arbeitsmarkt

Neben dem Lohnkostenzuschuss ist die ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung („Coaching“) der Geförderten ein zentraler Wirkungshebel des Teilhabechancengesetzes. Diese Hilfe und Unterstützung dienen dazu, alle Probleme der Geförderten zu bearbeiten, welche sich negativ auf die Beschäftigung auswirken können – seien sie beruflicher oder privater Natur. Die Evaluation zeigt, dass dabei in der Tat eine große thematische Bandbreite abgedeckt wird. Die Betreuung wird von den Geförderten gut angenommen und überwiegend positiv bewertet.

Dennoch zeigen sich bei der praktischen Umsetzung klare Defizite. So fehlen den Coaches mitunter die für diese Aufgabe notwendigen Fachkompetenzen sowie der kontinuierliche Zugang zu den entsprechenden Betrieben und damit ein intensiver Einblick in die dortigen Arbeitsabläufe. Außerdem kommt es häufig zu personellen Wechseln in der Betreuung. Letzteres war in rund zwei Dritteln der Jobcenter zu beobachten. Dies beeinträchtigt vor allem die Fallkenntnis der Coaches und ihre Vertrauensbeziehung zu den gefördert Beschäftigten.

Ein fehlender Betriebszugang wiederum verstellt den Blick auf die Entwicklung der Beschäftigungsfähigkeit der Geförderten, ihre Unterstützungsbedarfe und die Übernahmechancen in ungeförderte Arbeit oder andere mögliche Anschlussperspektiven nach Förderende. Dieses Wissen ist aber für eine gelungene Betreuung essenziell. Sich dieses Wissen anzueignen, setzt spezifische Kompetenzen des Betreuungspersonals voraus. Zudem sollten Geförderte nicht nur zu Beginn, sondern während der gesamten Förderdauer für notwendige Betreuungstermine vom Arbeitgeber freigestellt werden.

Darüber hinaus muss die Frage nach der weiteren beruflichen Entwicklung der Geförderten fest im Aufgabenprofil der Coaches verankert und als integraler Bestandteil der Betreuung begriffen werden. Das betrifft sowohl die Kooperation mit den Arbeitsvermittler*innen der Jobcenter, als auch die Initiierung etwaiger Weiterbildungsmaßnahmen. Hierfür finanzielle Zuschüsse zu beantragen, obliegt derzeit ausschließlich dem jeweiligen Arbeitgeber. Die Coaches hingegen können dies nicht ohne Weiteres. Ihnen in diesem Punkt mehr Einflussmöglichkeiten einzuräumen, könnte den Einsatz von Weiterbildung stärken und damit die Anschlussperspektiven der Geförderten verbessern.

Wer über Anschlussperspektiven redet, darf von Anschlussförderungen nicht schweigen

Allen Bemühungen zum Trotz ist realistischerweise davon auszugehen, dass ein nennenswerter Teil gerade derjenigen, die durch das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ gefördert werden, den Sprung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht unmittelbar nach der Förderung schaffen wird. Wer über Anschlussperspektiven redet, sollte sich folglich der Frage nach einer öffentlich finanzierten Anschlussförderung nicht verweigern.

Die Entfristung der Förderung, sprich eine staatlich geförderte Dauerbeschäftigung, wäre dabei eine denkbare Antwort auf fehlende Weiterbeschäftigungsoptionen der Geförderten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Mit dem oben erwähnten Beschäftigungszuschuss wurde dieser Weg seinerzeit bereits beschritten. Er sah nach Ende der initialen Förderphase unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer dauerhaften Lohnförderung vor.

Eine große Rolle spielte die Entfristung in der Praxis zwar nicht, gleichwohl werden laut BA-Statistik aktuell noch rund 1.000 Personen mit dem Beschäftigungszuschuss gefördert. Und auch mit Blick auf „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ befürworteten zum Zeitpunkt der Befragung im Jahr 2022 immerhin 27 Prozent der Jobcenter eine solche. Dies berichteten Christopher Osiander und Philipp Ramos Lobato in einem Beitrag für das IAB-Forum. Aufgrund der zwischenzeitlich deutlich angespannteren Situation des Bundeshaushalts könnte dieser Anteil inzwischen gesunken sein.

Wenn die Politik eine solche Option in Betracht ziehen würde, müssten der Fortführung von geförderten Beschäftigungsverhältnissen nach § 16i SGB II über die derzeit gültige Höchstförderdauer hinaus jedoch enge Grenzen gesetzt werden. Folgebewilligungen sollten zwingend in zeitlich überschaubaren Intervallen erfolgen und das Förderniveau sollte im Vergleich zum bisherigen Niveau niedriger ausfallen, um die öffentlichen Haushalte zu entlasten.

Denn es gibt zwar eine gewisse Evidenz für den arbeitsmarktpolitischen Nutzen des langfristigen Einsatzes öffentlich geförderter Beschäftigung (etwa für Schweden in einer Studie von Anna Sjögren und Johan Vikström von 2015). Unbestreitbar ist jedoch, dass gerade langfristige Förderungen knappe (und zukünftig wohl noch knappere) Ressourcen binden, die den Jobcentern für andere Leistungsberechtigte mit ähnlich schlechten Arbeitsmarktaussichten und ähnlich großen Teilhabedefiziten dann nicht zur Verfügung stünden. Dies gilt für kostenintensive Instrumente im Besonderen.

Ein gewisses „Legitimationsdefizit“ ist also nicht von der Hand zu weisen, wenn nur wenige Personen von einer sehr langen Förderung profitieren würden, wie Philipp Ramos Lobato, Claudia Globisch und Joachim Lange jüngst in einem Beitrag für den Sozialen Fortschritt argumentierten.

Arbeitsgelegenheiten sollten zum Teilhabeinstrument für besonders arbeitsmarktferne Bürgergeld-Empfänger weiterentwickelt werden

Anstelle der Kappung der Höchstförderdauer von § 16i SGB II könnte der Einsatz einer modifizierten Form der Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II arbeitsmarkt- wie fiskalpolitisch zweckmäßiger sein, um die gesellschaftliche Teilhabe von besonders arbeitsmarktfernen Bürgergeld-Berechtigten langfristig zu sichern.

Bei den Arbeitsgelegenheiten, deren förderpolitische Ursprünge in der Sozialhilfe liegen und die gerade in den Anfangsjahren der Grundsicherung für Arbeitsuchende in großem Stil zum Einsatz kamen, handelt es sich um eine sozialrechtliche Fördermaßnahme. Von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, auch wenn diese öffentlich gefördert wird, unterscheiden sich die Arbeitsgelegenheiten entsprechend deutlich.

Trotzdem kann die Teilnahme auch an solchen Maßnahmen die soziale Teilhabe langzeitarbeitsloser Leistungsbeziehenden unter bestimmten Voraussetzungen stärken. Das hat unter anderem eine 2015 erschienene Untersuchung von Stefanie Gundert und Christian Hohendanner ergeben. Zu den Voraussetzungen gehört unter anderem, dass die Teilnahme freiwillig ist, mehr als sechs Monate dauert und die Arbeitszeit mehr als 20 Wochenstunden beträgt.

Gleichzeitig fallen die durchschnittlichen Förderkosten laut einer 2023 im IAB-Forum publizierten Studie von Tamara Pongratz und Joachim Wolff deutlich geringer aus als die von § 16i SGB II. Das lässt ein gewisses Einsparpotenzial vermuten, auch wenn entsprechende Effizienzanalysen von „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ noch ausstehen.

Diese Ergebnisse könnten Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung der Arbeitsgelegenheiten und ihrer Einsatzpraxis hin zu einem Instrument der sozialen Stabilisierung und Teilhabesicherung über Beschäftigung sein. Als ein solches kämen die Arbeitsgelegenheiten nicht nur für eine Anschlussförderung nach dem Ende einer – mit Blick auf die Arbeitsmarktintegration zunächst erfolglosen – Förderung nach § 16i SGB II in Betracht.

Denkbar ist auch, diese als ein Instrument zu etablieren, das ohne vorherige Förderung nach § 16i SGB II eingesetzt wird und dazu auf jenen Kreis von Leistungsberechtigten konzentriert wird, denen die Jobcenter vorerst auch dann keine realistischen Jobchancen mehr attestieren, wenn sie anderweitig arbeitsmarktpolitisch gefördert würden. Entsprechend müsste die Abgrenzung der Zielgruppe noch deutlich enger gefasst werden, als dies bei „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ bereits der Fall ist.

Eine derartige Weiterentwicklung der Arbeitsgelegenheiten gäbe den Jobcentern ein Instrument an die Hand, das sein könnte, was ehemals der Beschäftigungszuschuss und heute „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ immer sein sollten: eine Art arbeitsmarktpolitische Ultima Ratio, die den Betroffenen eine niedrigschwellige Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe bietet und einem dauerhaften Arbeitsmarktausschluss vorzuziehen ist.

Die Förderung besonders arbeitsmarktferner Leistungsberechtigter bedarf einer verlässlichen Finanzierung

Wie auch immer die Politik am Ende entscheidet: Eine mehrjährige Förderung besonders arbeitsmarktferner Leistungsberechtigter erfordert eine verlässliche Finanzierung. Ohne entsprechende finanzielle Planungssicherheit ist gerade die Umsetzung von vergleichsweise kostenintensiven Instrumenten wie „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ für die Jobcenter ein großes ökonomisches Wagnis. Das bestätigen auch die Jobcenterbefragungen des IAB eindeutig.

Unter den befragten Geschäftsführungen ist die Sorge groß, dass die Kosten für die Förderung nach § 16i SGB II künftig einen zu großen Teil der verfügbaren Haushaltsmittel beanspruchen wird. Knapp 30 Prozent von ihnen geben zudem an, dass sie nicht darauf vertrauen, dass ihnen die erforderlichen Mittel zukünftig von der Politik zur Verfügung gestellt werden. Das fehlende Vertrauen bei Teilen der Jobcenter in den Fortbestand und in die Finanzierung des Programms dürfte zumindest mitverantwortlich dafür sein, dass die Zugänge in „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ bereits seit längerem stark rückläufig sind.

Beunruhigend ist vor allem, dass die geäußerten Befürchtungen aus dem Jahr 2022 stammen. Denn seither hat sich die finanzielle Lage des Bundes und damit die der Jobcenter eher verschlechtert. Aus diesem Grund wäre ein vom Bund eigens bereitgestelltes mehrjähriges Budget für die Umsetzung des Teilhabechancengesetz ein Signal an die Jobcenter, das das Vertrauen in die Finanzierbarkeit der Instrumente stärken und ihnen damit praktische Handlungssicherheit geben würde. Dies würden auch knapp 80 Prozent der vom IAB befragten Jobcenter begrüßen.

Fazit

Insgesamt betrachtet ist die Situation des Teilhabechancengesetzes aktuell eine paradoxe: Mit „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ und „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ wurden zwei nachweislich wirkungsvolle arbeitsmarktpolitische Instrumente geschaffen. Gleichzeitig ist die Zukunft gerade von „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ angesichts der derzeitigen finanziellen Unwägbarkeiten offener denn je.

Hier ist die Politik gefordert, entsprechend gegenzusteuern. Denn die Verfestigung von Arbeitslosigkeit und Leistungsbezug als das maßgeblich Bezugsproblem beider Instrumente wird auch künftig ein virulentes für die Grundsicherung für Arbeitsuchende bleiben.

Es wäre daher kontraproduktiv, wenn die Jobcenter aufgrund einer zu geringen finanziellen Ausstattung und einer nicht erfolgten Weiterentwicklung auf ein effektives Instrument verzichten müssten. Bedenkt man die vielen Hürden, die es seit der Abschaffung des Beschäftigungszuschusses im Jahr 2012 zu nehmen galt, um wieder ein vergleichbares Instrument im Regelinstrumentarium der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu verankern, wäre es zudem höchst ineffizient, wenn die Instrumente des Teilhabechancengesetzes nicht mehr zum Einsatz kämen.

In aller Kürze

  • Die IAB-Evaluation stellt den Instrumenten nach § 16e und § 16i SGB II, die mit dem Teilhabechancengesetz geschaffen wurden, ein positives Zeugnis aus.
  • Die Ergebnisse zeigen, dass beide Instrumente die soziale Teilhabe der Geförderten verbessern. Für die Arbeitsmarktintegration ist dies bislang nur für „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ nachgewiesen.
  • Um die erreichten Fördererfolge abzusichern, benötigen die Geförderten geeignete Anschlussperspektiven. Ein besonderes Augenmerk sollte daher auf dem Übergang der Geförderten in den allgemeinen Arbeitsmarkt liegen.
  • In Fällen, in denen der Übergang nicht gelingt, könnten Anschlussförderungen ein vielversprechender Lösungsansatz sein. Eine modifizierte Variante der Arbeitsgelegenheiten könnte hierfür eine im Schnitt kostengünstigere Alternative zur Förderung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sein.
  • Die Förderung arbeitsmarktferner Leistungsberechtigter bedarf einer verlässlichen Finanzierung. Daher spricht sich eine Mehrheit der Jobcenter für einen eigenständigen Haushaltstitel für die Instrumente des Teilhabechancengesetzes aus.

Literatur

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Pongratz, Tamara; Wolff, Joachim (2023): Ein-Euro-Jobs wirken – aber nur unter bestimmten Bedingungen. In: IAB-Forum, 4.10.2023.

Raab, Miriam (2023): Mehr Teilhabe durch geförderte Beschäftigung? Die Perspektive der Geförderten (Serie „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen und Teilhabe am Arbeitsmarkt“). In: IAB-Forum, 28.9.2023.

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Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2024): Teilnehmende in ausgewählten arbeitsmarktpolitischen Instrumenten (Zeitreihe Monatszahlen), Nürnberg, Mai 2024.

 

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DOI: 10.48720/IAB.FOO.20240624.01

Gellermann, Jan; Ramos Lobato, Philipp (2024): Wirksame Instrumente mit punktuellem Verbesserungsbedarf: Impulse zur Weiterentwicklung des Teilhabechancengesetzes, In: IAB-Forum 24. Juni 2024, https://www.iab-forum.de/wirksame-instrumente-mit-punktuellem-verbesserungsbedarf-impulse-zu-weiterentwicklung-des-teilhabechancengesetzes/, Abrufdatum: 29. September 2024