29. Mai 2020 | Internationale und regionale Arbeitsmärkte
Regionale Arbeitsmarktvorausschau (Stand: Mai 2020)
Stefan Fuchs , Anja Rossen , Duncan Roth , Rüdiger Wapler , Antje Weyh
Das Corona-Virus hat weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in Deutschland. Das IAB geht in seiner Vorausschau für Gesamtdeutschland von folgendem Szenario aus: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird im zweiten Quartal um 14,6 Prozent einbrechen. Daran wird sich eine langsame Erholung anschließen, sodass das BIP im Jahresdurchschnitt 2020 nur um insgesamt 8,4 Prozent zurückgeht. Die Arbeitslosenzahl wird kurzfristig stark auf mehr als 3 Millionen Personen ansteigen. Im weiteren Verlauf des Jahres 2020 kann dieser Anstieg aber in Teilen wieder zurückgeführt werden. Im Jahresdurchschnitt wird die Arbeitslosigkeit insgesamt um etwa 520.000 Personen gegenüber dem Vorjahr zunehmen, was einem Anstieg um knapp 23 Prozent entspricht. Zur historischen Einordnung: Während der Wirtschafts- und Finanzkrise lag der Anstieg im August 2009 gegenüber dem Vorjahresmonat bei knapp 9 Prozent.
Die Ergebnisse der bundesweiten Vorausschau basieren auf einer Reihe von Annahmen darüber, wie stark die wirtschaftliche Aktivität in den verschiedenen Branchen über den Jahresverlauf hinweg eingeschränkt bleiben wird. Derzeit ist nicht absehbar, ob sich das Corona-Virus weiter ausbreiten wird und welche Eindämmungsmaßnahmen künftig noch notwendig sein werden. Diese Annahmen sind daher mit großer Unsicherheit behaftet – ein Problem, dem auch wir uns in unserer regionalen Arbeitsmarktvorausschau gegenübersehen.
Die regionale Arbeitsmarktvorausschau liefert eine Einschätzung der kurzfristigen Entwicklung der Arbeitslosigkeit für den Durchschnitt der Monate Mai, Juni und Juli 2020 auf der Ebene der Bundesländer und der Agenturbezirke. Zudem weisen wir die erwartete Veränderung der Arbeitslosenquoten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum aus. Die Stärke des „Corona-Effekts“ stellen wir fest, indem wir die geschätzte Entwicklung der Arbeitslosigkeit mit dem Trend vergleichen, der ohne Corona zu erwarten gewesen wäre.
Weil die Annahmen, die der Vorausschau zugrunde liegen, mit großer Unsicherheit behaftet sind, wird im Folgenden – analog zur bundesweiten Vorausschau – auf die Darstellung punktgenauer Arbeitslosenzahlen verzichtet und das Augenmerk stattdessen auf die Veränderung der Arbeitslosigkeit gelegt. Zu diesem Zweck teilen wir die Bundesländer und Agenturbezirke in drei Gruppen auf – in Abhängigkeit von der Höhe der kurzfristig zu erwartenden Veränderungsraten. So wird sichtbar, ob sich der Arbeitsmarkt in einer Region unter-, über- oder durchschnittlich im Verhältnis zum Rest der Republik entwickelt.
Die relativen Anstiege der Arbeitslosenzahlen fallen vor allem im Süden hoch aus
Abbildung 1 zeigt die erwartete Veränderung der Arbeitslosenzahl im Durchschnitt der Monate Mai, Juni und Juli 2020 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Diese Ergebnisse spiegeln neben den Effekten, die die Corona-Pandemie auf den Arbeitsmarkt hat, auch andere konjunkturelle Einflüsse sowie langfristige strukturelle Entwicklungen wie den demografischen Wandel wider.
Auf der Ebene der Bundesländer zeigen sich klare regionale Unterschiede:
- In den südlichen Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz sowie in Hamburg dürften die Arbeitslosenzahlen unseren Schätzungen zufolge besonders stark ansteigen (39 Prozent oder höher).
- Die übrigen westdeutschen Bundesländer (mit Ausnahme Bremens) sowie Berlin und Thüringen liegen in der mittleren Kategorie, für die wir einen Anstieg zwischen 30 und 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erwarten.
- Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Bremen bilden die Gruppe von Ländern, in denen der erwartete Anstieg der Arbeitslosigkeit mit weniger als 30 Prozent vergleichsweise gering ausfällt.
Zum Vergleich: Während der Wirtschafts- und Finanzkrise gab es den höchsten Anstieg der Arbeitslosigkeit mit 34 Prozent in Baden-Württemberg im August 2009 gegenüber dem Vorjahresmonat.
Die Arbeitslosenquote erhöht sich in den meisten Bundesländern um rund zwei Prozentpunkte
Abbildung 2 veranschaulicht den Anstieg der Arbeitslosenquoten zwischen dem Zeitraum von Mai bis Juli 2019 und dem Zeitraum von Mai bis Juli 2020. Hier fallen die räumlichen Unterschiede anders aus als beim Anstieg der absoluten Arbeitslosenzahlen. Grund hierfür ist, dass der Anstieg der Zahl der Arbeitslosen nicht wie im vorherigen Abschnitt im Verhältnis zur jetzigen Höhe der Arbeitslosigkeit gemessen wird, sondern relativ zur Zahl der Erwerbstätigen (das heißt aus der Summe von Erwerbstätigen und Erwerbslosen). Für die Mehrzahl der Bundesländer erwarten wir einen Anstieg der Arbeitslosenquote um rund 2 Prozentpunkte. Etwas höhere Zuwächse ergeben sich in den drei Stadtstaaten, leicht niedrigere in Brandenburg und Sachsen.
In Prozentpunkten steigt die Arbeitslosenquote in Bayern und Baden-Württemberg nur durchschnittlich, in Hessen und Rheinland-Pfalz sogar unterdurchschnittlich, obwohl in diesen Bundesländern die Zahl der Arbeitslosen der Vorausschau zufolge überdurchschnittlich stark wachsen wird. Die prozentuale Veränderung der Arbeitslosigkeit und die Veränderung der Arbeitslosenquote in Prozentpunkten hängen folgendermaßen zusammen: Steigt die Zahl der Arbeitslosen um 50 Prozent, nimmt die Arbeitslosenquote um die Hälfte des ursprünglichen Niveaus zu. Daraus folgt: Je niedriger das Ausgangsniveau der Arbeitslosenquote ist, desto geringer fällt deren Veränderung aus.
Da die Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz im Jahr 2019 relativ gering war, ist die Veränderung der Arbeitslosenquote trotz eines überdurchschnittlichen prozentualen Anstiegs in der Arbeitslosigkeit durchschnittlich oder unterdurchschnittlich. Im Gegensatz dazu steigt die Arbeitslosenquote im Stadtstaat Bremen trotz einer vergleichsweise geringen Erhöhung in der Arbeitslosenzahl überdurchschnittlich. Auch in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Sachsen-Anhalt steigt die Arbeitslosenquote relativ gesehen stärker als die Arbeitslosenzahlen. Diese Divergenz ist darauf zurückzuführen, dass das Ausgangsniveau der Arbeitslosenquote dort bereits vergleichsweise hoch war.
Südliche Bundesländer haben trotz steigender Arbeitslosenzahlen weiterhin die niedrigsten Arbeitslosenquoten
Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz gehörten im Jahr 2019 zu den Bundesländern mit den niedrigsten Arbeitslosenquoten. Auch der Anstieg der Arbeitslosenquote fällt dort voraussichtlich unterdurchschnittlich oder allenfalls durchschnittlich aus. In Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen hingegen dürfte es einen überdurchschnittlichen Zuwachs der Arbeitslosenquote geben. Diese lag dort bereits im Jahr 2019 auf einem recht hohen Niveau.
Tendenziell gehen wir daher davon aus, dass die Arbeitslosenquote in Regionen mit ursprünglich hohem Niveau auch weiterhin überdurchschnittlich hoch ist – und umgekehrt. Die strukturellen Unterschiede in der Arbeitslosigkeit zwischen den Bundesländern bleiben somit trotz des enormen Effektes, den die Corona-Pandemie auf den Arbeitsmarkt hat, bestehen.
In Bayern und Baden-Württemberg steigt die Arbeitslosigkeit in fast allen Agenturbezirken
Aufschlussreich ist auch die erwartete Arbeitslosigkeit auf Ebene der Agenturbezirke (siehe Abbildung 3). Besonders auffallend: In Bayern und Baden-Württemberg werden die Arbeitslosenzahlen voraussichtlich in fast allen Agenturbezirken kurzfristig deutlich ansteigen. In den anderen Bundesländern liefert die Vorausschau hingegen ein heterogeneres Bild.
So gehen wir in mehreren Agenturbezirken der anderen westdeutschen Bundesländer ebenfalls von einem besonders hohen Anstieg aus. Die betroffenen Agenturbezirke liegen häufig an den deutschen Außengrenzen. Dem stehen verschiedene Agenturbezirke in Niedersachsen, in Teilen des Rheinlands und des Ruhrgebiets sowie in Hessen gegenüber, wo der Anstieg vergleichsweise gering sein dürfte. Zu den ostdeutschen Agenturbezirken, wo die Arbeitslosenzahl überproportional steigen dürfte, gehören Agenturbezirke im Norden Mecklenburg-Vorpommerns und grenznahe Agenturbezirke in Sachsen, aber auch Chemnitz und Leipzig sowie der Agenturbezirk Halberstadt in Sachsen-Anhalt.
Abbildung 4 zeigt den Anstieg der Arbeitslosenquote in Prozentpunkten für die Agenturbezirke. Wie im Fall der Bundesländer gilt auch hier, dass ein besonders hoher prozentualer Zuwachs in der Zahl der Arbeitslosen nicht mit einem überdurchschnittlichen Anstieg der Arbeitslosenquote einhergehen muss. Das zeigt sich vor allem am Beispiel Bayerns und Baden-Württembergs: Zwar nimmt die Zahl der Arbeitslosen in fast allen Agenturbezirken beider Bundesländer relativ stark zu. Berechnet man allerdings, wie sich die Arbeitslosenquote verändert, ergibt sich ein weniger einheitliches Bild. Denn: In vielen Agenturbezirken Bayerns und Baden-Württembergs sowie teilweise auch in Hessen fällt der erwartete Anstieg der Arbeitslosenquote in die niedrigste oder die mittlere Kategorie, was sich wiederum durch ein vergleichsweise niedriges Ausgangsniveau der Arbeitslosenquote erklären lässt.
In den Agenturbezirken Bayreuth-Hof, München, Nürnberg und Passau (Bayern), Mannheim und Waiblingen (Baden-Württemberg) sowie Korbach (Hessen) steigt die Arbeitslosenquote vergleichsweise stark um über 2 Prozentpunkte an. Gründe für diesen relativ hohen Anstieg sind entweder ein vergleichsweise hohes Ausgangsniveau der Arbeitslosenquote oder eine besonders starke prozentuale Erhöhung der Arbeitslosenzahlen.
In verschiedenen Agenturbezirken Niedersachsens sowie Brandenburgs und Sachsens geht ein niedriger prozentualer Anstieg der Arbeitslosenzahl mit einer geringfügig höheren Arbeitslosenquote einher. Im Gegensatz dazu steigt in vielen Agenturbezirken des Ruhrgebiets sowie in einzelnen Agenturbezirken in Ostdeutschland (Bernburg, Greifswald, Halle, Magdeburg, Sangerhausen) zwar die Zahl der Arbeitslosen nur in geringem Maße, die Arbeitslosenquote nimmt allerdings überdurchschnittlich stark zu. Der hohe Anstieg der Arbeitslosenquote weist dabei auf ein relativ hohes Niveau der ursprünglichen Arbeitslosenquote hin.
In einzelnen westdeutschen Agenturbezirken (Bayreuth-Hof, Flensburg, Frankfurt, Mannheim, München, Neuwied, Paderborn, Passau und Waiblingen) steigt sowohl die Arbeitslosenzahl als auch die Arbeitslosenquote vergleichsweise stark an. In Ostdeutschland ist dies lediglich für den Agenturbezirk Suhl der Fall.
Der „Corona-Effekt“ – deutliche Abweichung vom bisherigen Trend
Um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kurzfristige Entwicklung der regionalen Arbeitslosigkeit genauer abschätzen zu können, berechnen wir einen „Corona-Effekt“. Dafür beschreiben wir, wie sich die Arbeitslosigkeit ohne Corona entwickelt hätte, indem wir den Trend der letzten fünf Jahre bestimmen und diesen mit den erwarteten Arbeitslosenzahlen unserer Vorausschau vergleichen. Der Corona-Effekt bildet sich aus der Differenz der erwarteten Arbeitslosenzahlen und den Arbeitslosenzahlen, die nach dem Trend der letzten fünf Jahre zu erwarten gewesen wären (siehe „Methodische Hinweise“).
Bezieht man den Corona-Effekt ein, so zeigt sich ein ähnliches regionales Muster wie in Abbildung 1 (siehe Abbildung 5): Kurzfristig fällt der Anstieg der Arbeitslosigkeit gegenüber der Fortschreibung des Trends der letzten Jahre in den südlichen Bundesländern sowie in Hamburg besonders hoch aus. Die meisten anderen Bundesländer Westdeutschlands – mit Ausnahme Bremens und des Saarlands – sowie Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen in Ostdeutschland finden sich in der mittleren Kategorie wieder. Für diese Bundesländer gilt, dass die Arbeitslosenzahlen um 29 bis 34 Prozentpunkte stärker gestiegen sind, als dies ohne die Corona-Pandemie zu erwarten gewesen wäre. Einen geringeren Anstieg der Arbeitslosigkeit infolge von Corona weisen die übrigen ostdeutschen Bundesländer Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie in Westdeutschland der Stadtstaat Bremen und das Saarland auf.
Auf der Ebene der Agenturbezirke zeigen sich wiederum große regionale Unterschiede innerhalb der Bundesländer (siehe Abbildung 6): Während die Arbeitslosenzahlen in fast allen Agenturbezirken Bayerns infolge von Corona sehr stark steigen werden, weisen einzelne Agenturbezirke in Baden-Württemberg einen niedrigeren Anstieg der Arbeitslosigkeit auf. Hessen und Rheinland-Pfalz gehören zwar zu den Bundesländern, in denen die Arbeitslosigkeit insgesamt am stärksten zunehmen wird, dennoch finden sich dort Agenturbezirke, in denen sich die coronabedingte Arbeitslosigkeit nur in geringem oder mittlerem Maße erhöht.
Die Agenturbezirke Nordrhein-Westfalens lassen sich grob in eine weniger stark betroffene Gruppe im Südwesten und eine stärker betroffene Gruppe im Nordosten unterteilen. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein gibt es grenznahe Agenturbezirke, für die wir einen hohen Anstieg erwarten, während der Anstieg in den anderen Agenturbezirken dieser Bundesländer weniger stark ausfallen dürfte. Auch innerhalb Ostdeutschlands gibt es große Unterschiede: In Halberstadt, Plauen, Rostock und Suhl wird die Arbeitslosigkeit voraussichtlich besonders stark zunehmen, während sich in allen ostdeutschen Flächenländern auch Agenturbezirke finden, wo von einem vergleichsweise niedrigen Anstieg der Arbeitslosigkeit auszugehen ist.
Fazit
Anders als die Wirtschafts- und Finanzkrise trifft die Corona-Krise den deutschen Arbeitsmarkt flächendeckend. In allen Bundesländern und Agenturbezirken steigt infolge der Corona-Pandemie die Arbeitslosigkeit in hohem Ausmaß – teilweise um mehr als 50 Prozent. Während der Wirtschafts- und Finanzkrise war dies noch anders: Damals erhöhte sich die Arbeitslosenzahl in manchen Bundesländern zwar ebenfalls stark, in anderen waren allerdings nahezu gar keine Arbeitsmarktauswirkungen zu beobachten.
Die aktuelle Vorausschau zeigt dennoch klare Unterschiede zwischen den Bundesländern: Besonders im Süden der Republik kommt es zu einer hohen prozentualen Veränderung der Arbeitslosenzahlen. Auch im Westen und Norden fallen die relativen Anstiege der Arbeitslosigkeit hoch aus. Im Osten sind hingegen geringe Zuwächse zu verzeichnen. Betrachtet man jedoch die Agenturbezirke, zeigt sich ein differenzierteres Bild: In allen Bundesländern finden sich Agenturbezirke, in denen die Arbeitslosigkeit besonders stark, durchschnittlich oder vergleichsweise weniger stark zunimmt.
Die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern fallen jedoch weniger eindeutig aus, wenn man betrachtet, wie sich die steigenden Arbeitslosenzahlen auf die Arbeitslosenquote auswirken. Obwohl die Arbeitslosenzahlen in den südlichen Bundesländern besonders stark ansteigen, erhöht sich die Arbeitslosenquote in vergleichsweise geringem Maße. Das liegt daran, dass die Arbeitslosenquote vor der Corona-Pandemie relativ niedrig war.
Im Gegensatz dazu erwarten wir für andere Bundesländer, die schon vor der Corona-Pandemie relativ hohe Arbeitslosenquoten hatten, einen höheren Anstieg der Arbeitslosenquote, obwohl sich die Arbeitslosenzahlen dort vergleichsweise wenig erhöhen. Auch für die Veränderung der Arbeitslosenquote gilt, dass der erwartete Anstieg innerhalb eines Bundeslandes nicht einheitlich sein muss, sondern bisweilen auch größere Unterschiede zwischen Agenturbezirken bestehen können.
Auch die Erholung des Arbeitsmarkts nach der Corona-Krise dürfte regional unterschiedlich verlaufen. Dies zeigen die Erfahrungen aus der Finanzkrise. Denn auch hier dauerte es je nach Region unterschiedlich lange, bis das jeweilige Vorkrisenniveau wieder erreicht war.
Die methodische Vorgehensweise ist sehr ähnlich wie bei der Erstellung der Regionalen Arbeitsmarktprognosen, die zuletzt im Herbst 2019 erschienen sind (siehe Regionale Arbeitsmarktprognose – Stand: Herbst 2019). Wir haben neun unterschiedliche Zeitreihenmodelle angewendet und in jedem Modell eine Vorausschau für die Monate Mai bis Juli 2020 berechnet. Anschließend haben wir einen (gleich gewichteten) Durchschnitt aus den Einzelergebnissen gebildet. Gleichzeitig sind die Werte der bundesweiten Vorausschau – in denen wiederum nationale und internationale Einflüsse berücksichtigt werden – als weitere Erklärungsgröße in das Gesamtmodell für jede regionale Einheit eingegangen. Die Trends ohne Corona haben wir durch lineare Regressionsmodelle ermittelt.
Für die Abschätzung des Corona-Effekts muss zunächst das hypothetische Szenario bestimmt werden, wie sich die regionale Arbeitslosigkeit ohne die Corona-Pandemie entwickelt hätte. Zu diesem Zweck haben wir zunächst die Veränderung der Arbeitslosigkeit vom Durchschnitt der Monate Januar bis April gegenüber dem Durchschnitt der Monate Mai bis Juli in den Jahren 2015 bis 2019 betrachtet. Anschließend haben wir die Veränderungen in der Arbeitslosigkeit über diese Jahre verglichen und diese Veränderung mittels eines Regressionsmodells (kleinste-Quadrate-Schätzer) linear fortgeschrieben. Beträgt die Veränderung der Arbeitslosigkeit in einer Region zwischen den Monaten Januar bis April und Mai bis Juli im Jahr 2015 beispielsweise -6 Prozent, im Jahr 2016 -5 Prozent, im Jahr 2017 -4 Prozent, im Jahr 2018 -3 Prozent und im Jahr 2019 -2 Prozent, gehen wir davon aus, dass die entsprechende Veränderung im Jahr 2020 -1 Prozent betragen hätte, wenn es die Corona-Pandemie nicht gegeben hätte. Durch diese Trendbetrachtung wird sichtbar, in welchen Regionen sich der Arbeitsmarkt auch ohne Corona voraussichtlich schlechter entwickelt hätte. Demnach wäre für die ostdeutschen Regionen mit weiterhin recht hohen Rückgängen in der Arbeitslosigkeit zu rechnen gewesen, während sich insbesondere im Süden der Republik die Situation anders darstellt.
Anschließend haben wir die Differenz in der Veränderung der Arbeitslosigkeit zwischen diesem hypothetischen Szenario und unserer aktuellen kurzfristigen Vorausschau für den Durchschnitt der Monate Mai bis Juli 2020 berechnet. Hätten wir aufgrund der Fortschreibung des Trends einen Rückgang der Arbeitslosigkeit zwischen den Monaten Januar bis April und Mai bis Juli 2020 um 1 Prozent erwartet, während die Vorausschau einen geschätzten Anstieg der Arbeitslosigkeit um 19 Prozent liefert, läge der Corona-Effekt bei 20 Prozent (= 19 Prozent – (-1) Prozent).
Die Schätzung des Corona-Effekts beruht auf einem Vergleich der Arbeitslosigkeit in den Zeiträumen Januar bis April und Mai bis Juli 2020 (dargestellt in Abbildung 5 und Abbildung 6). Die prozentuale Veränderung der Arbeitslosigkeit (dargestellt in Abbildung 1 und Abbildung 3) sowie die Veränderung der Arbeitslosenquote (dargestellt in Abbildung 2 und Abbildung 4) basieren hingegen auf einem Vergleich der Monate Mai bis Juli 2020 mit dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Aufgrund der Unterschiede in den zugrundeliegenden Zeiträumen ist es nicht möglich, die coronaunabhängige Veränderung der Arbeitslosigkeit als Differenz der in Abbildung 1 (beziehungsweise Abbildung 3) und Abbildung 5 (beziehungsweise Abbildung 6) dargestellten Ergebnisse zu bestimmen.
Literatur
Rossen, Anja; Roth, Duncan; Wapler, Rüdiger; Weißler, Marco; Weyh, Antje (2019): Regionale Arbeitsmarktprognosen (Stand: Herbst 2019). In: IAB-Forum vom 26.09.2019
Weber, Enzo; Bauer, Anja; Fuchs, Johann; Hummel, Markus; Hutter, Christian; Wanger, Susanne; Zika, Gerd (2020): Der Arbeitsmarkt in der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte. In: IAB-Forum vom 24.04.2020.
Fuchs, Stefan; Rossen, Anja; Roth, Duncan; Wapler, Rüdiger; Weyh, Antje (2020): Regionale Arbeitsmarktvorausschau (Stand: Mai 2020), In: IAB-Forum 29. Mai 2020, https://www.iab-forum.de/regionale-arbeitsmarktvorausschau-stand-mai-2020-2/, Abrufdatum: 22. November 2024
Autoren:
- Stefan Fuchs
- Anja Rossen
- Duncan Roth
- Rüdiger Wapler
- Antje Weyh