Das IAB erwartet im kommenden Jahr zumindest für einen Teil der regionalen Arbeitsmärkte stärkere positive Impulse. Dies zeigen die Regionalprognosen für Bundesländer und Arbeitsagenturbezirke im IAB-Kurzbericht 20/2025. Die Redaktion des IAB-Forum hat sich bei Rüdiger Wapler aus dem Prognoseteam nach seinen Einschätzungen für nächstes Jahr erkundigt.

Dr. Rüdiger Wapler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Regionalen Forschungsnetz des IAB

Herr Wapler, das IAB hat jüngst – wie in jedem Jahr – wieder eine Prognose der regionalen Arbeitsmarktentwicklung erstellt. Gab es einen Befund, der Sie besonders überrascht hat?

Ja, und zwar dass wir nach wie vor eine so gute Entwicklung der Beschäftigung für Hamburg erwarten. Ich hätte eher erwartet, dass dieses Bundesland besonders unter den neuen Zöllen leidet. Leicht überrascht hat mich auch, dass wir in einigen Bundesländern einen Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung prognostizieren, obwohl im kommenden Jahr eigentlich eine bessere wirtschaftliche Gesamtentwicklung als zuletzt erwartet wird. Aber letztendlich zeigt das wieder mal, dass der Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und der Beschäftigung nicht mehr so eng ist wie früher. Ob die regionale Beschäftigung wächst oder nicht, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, von denen das BIP nur einer ist.

Nehmen die regionalen Diskrepanzen auf dem Arbeitsmarkt Ihrer Prognose zufolge insgesamt eher ab oder eher zu?

Wir sehen beide Tendenzen, je nachdem welche Größe betrachtet wird. Bei der Arbeitslosenquote oder der Beschäftigung sehen wir am wenigsten, dass sich Diskrepanzen verstärken oder abnehmen. Schon eher bei der Zunahme der SGB-II-Arbeitslosigkeit, die im Osten stärker als im Westen ausfällt. Aber auch im Westen werden für Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg relativ starke Zuwächse vorausgesagt. Dennoch wird der Anteil der SGB-II-Arbeitslosen an allen Arbeitslosen im Durchschnitt im Osten bei über zwei Drittel liegen, im Westen bei etwa 62 Prozent. Hier gehen die Anteile zwischen Ost und West weiter auseinander.

In Hamburg prognostizieren Sie für 2026 ein Beschäftigungswachstum von 0,9 Prozent, in Thüringen einen Rückgang in der gleichen Größenordnung. Warum liegt Hamburg hier – mit Abstand – ganz vorn und Thüringen – ebenfalls mit Abstand – ganz hinten?


Zunächst finde ich es wichtig zu betonen, dass die Wachstumsraten, die wir berechnen, sich immer auf die jeweiligen Jahresdurchschnitte beziehen. Dies bedeutet aber, dass statistische Effekte eine Rolle spielen können: Ich kann am Jahresende in 2025 über oder unter dem Jahresdurchschnitt liegen. Dieser Wert beeinflusst dann den Wert, mit dem ich ins neue Jahr starte. Dieser hat dann wiederum Auswirkungen auf den Jahresdurchschnitt im kommenden Jahr. Sowohl für Hamburg als auch für Thüringen spielt dies in dieser Herbstprognose eine Rolle. Bei beiden Ländern befinden wir uns sehr wahrscheinlich Ende 2025 auf einem Niveau, das nicht weit von dem prognostizierten Jahresdurchschnitt im kommenden Jahr liegt. Darüber hinaus gilt aber auch, dass Hamburg seit 2019 – zumindest, wenn die Folgen der Corona-Pandemie außen vor gelassen werden – immer eines der Bundesländer mit dem stärksten Beschäftigungswachstum war. Umgekehrt ist Thüringen schon seit vielen Jahren das Bundesland mit einem der geringsten Zuwächse beziehungsweise – wie jetzt auch – mit den höchsten Rückgängen. Wir sehen keine Anzeichen dafür, dass diese Muster sich im kommenden Jahr ändern werden.

Nächstes Jahr geht das Erwerbspersonenpotenzial zurück

Welche Rolle spielt die demografische Entwicklung generell für das aktuelle Arbeitsmarktgeschehen in den Regionen?

Auch wenn wir anhand unserer Modelle den Einfluss einzelner Faktoren nicht genau beziffern können, gehen wir von einem erheblichen Einfluss der Demografie auf die Arbeitsmarktentwicklung aus. Wie in der Prognose auf Bundesebene deutlich gemacht wird, geht nächstes Jahr das Erwerbspersonenpotenzial zurück, weil die Zahl der Personen, die aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, zum Beispiel weil sie in den Ruhestand gehen, größer ist, als die Summe derer, die dem Arbeitsmarkt neu zur Verfügung stehen. Diese Auswirkung sieht man primär an zwei Stellen: Das Beschäftigungswachstum wird durch die demografische Entwicklung gebremst. So steigt zwar die Zahl der SGB-II-Arbeitslosen aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktlage in vielen Regionen. Das würde für sich genommen die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erhöhen. Dieser Effekt wird aber vor allem in Ostdeutschland durch die demografische Entwicklung überkompensiert, so dass die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten insgesamt sinkt.

Letztendlich ist für den Arbeitsmarkt weniger wichtig, ob ich mich im Westen oder Osten befinde, sondern wie die Bedingungen vor Ort sind

Welche Rolle spielt der Ost-West-Unterschied noch, wenn es um regionale Arbeitsmarktdisparitäten geht?

Zum Teil ist er noch zu sehen, zum Teil aber auch gar nicht. Beispielsweise gibt es beim Beschäftigungswachstum keine ausgeprägten Ost-West Unterschiede. Dafür sind – zumindest im Durchschnitt – die Arbeitslosenquoten im Osten höher als im Westen und der SGB-II-Anteil an allen Arbeitslosen ebenfalls im Osten höher. Dass sind aber Durchschnittswerte, die große regionale Disparitäten, die auch innerhalb eines Bundeslands auftreten, überdecken. Ein Blick beispielsweise auf die Entwicklung in den Agenturbezirken zeigt, dass es in beiden Landesteilen Bezirke gibt, in denen die Beschäftigung steigt, während die Arbeitslosigkeit sinkt. Aber auch das umgekehrte Bild beobachten wir. Letztendlich ist für den Arbeitsmarkt weniger wichtig, ob ich mich im Westen oder Osten befinde, sondern wie die Bedingungen beispielsweise im Hinblick auf die Branchen-, Qualifikations-, Betriebsgrößen- oder Altersstruktur vor Ort sind.

Literatur

Heining, Jörg; Jahn, Daniel; Sujata, Uwe; Wapler, Rüdiger; Weyh, Antje; Fuchs, Stefan (2025): Regionale Arbeitsmarktprognosen 2025/2026: Positive und negative Entwicklungen halten sich die Waage. IAB-Kurzbericht Nr. 20.

Heining, Jörg; Jahn, Daniel; Sujata, Uwe; Wapler, Rüdiger; Weyh, Antje (2025): Regionale Arbeitsmarktprognosen 2/2025. Aktuelle Daten und Indikatoren.

Schludi, Martin (2025): „Ob die regionale Beschäftigung wächst oder nicht, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab – von denen das BIP nur einer ist“, In: IAB-Forum 10. Oktober 2025, https://iab-forum.de/ob-die-regionale-beschaeftigung-waechst-oder-nicht-haengt-von-einer-vielzahl-von-faktoren-ab/, Abrufdatum: 10. October 2025

 

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