21. April 2023 | Serie „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen und Teilhabe am Arbeitsmarkt“
Arbeitsmarktintegration von Langzeitarbeitslosen: Viele Betriebe kennen das Teilhabechancengesetz nicht
Das Teilhabechancengesetz, im Jahr 2018 von der damaligen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD auf den Weg gebracht, hat das Förderangebot der Grundsicherung für Arbeitsuchende substanziell erweitert. Seither stehen den Jobcentern die Instrumente „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ nach §16e Sozialgesetzbuch (SGB) II und „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ nach §16i SGB II zur Verfügung, die auf die Förderung besonders arbeitsmarktferner Leistungsberechtigter zugeschnitten sind. In beiden Fällen handelt es sich um Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber, die einen erheblichen Teil der anfallenden Lohnkosten abdecken und mit zwei beziehungsweise bis zu fünf Jahren vergleichsweise lange Förderdauern ermöglichen.
Neben den Lohnkosten bezuschussen die Jobcenter mit bis zu 3.000 Euro auch Qualifizierungen, die für den Arbeitseinsatz erforderliche Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln. Weiterhin werden die Geförderten – und damit indirekt auch die Betriebe – durch ein beschäftigungsbegleitendes Coaching unterstützt, das ihnen etwa bei Schwierigkeiten am Arbeitsplatz helfen und so das Beschäftigungsverhältnis stabilisieren soll.
Im Unterschied zu vielen früheren Varianten öffentlich geförderter Beschäftigung sind die seit 2019 verfügbaren Instrumente zudem nicht auf gemeinnützige und öffentliche Arbeitgeber begrenzt, sondern stehen auch privatwirtschaftlichen Betrieben zur Verfügung.
Insgesamt sollen die vergleichsweise attraktiven Förderkonditionen der beiden Instrumente die Betriebe motivieren, verstärkt auch solche Personen einzustellen, die in den vergangenen Jahren keiner Erwerbsarbeit nachgegangen sind. Den Geförderten wiederum soll auf diese Weise der – ansonsten voraussichtlich versperrte – Zugang zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und den darüber vermittelten sozialen Teilhabemöglichkeiten eröffnet werden. Die im Betrieb gesammelten Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten sollen zudem ihre Beschäftigungsfähigkeit stärken und ihnen somit bei der Aufnahme einer ungeförderten Anschlussbeschäftigung helfen.
Entsprechend kommt den Betrieben bei den hier betrachteten Instrumenten, wie generell beim Einsatz arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, eine entscheidende Rolle zu. Ohne deren Bereitschaft, langzeitarbeitslose Leistungsberechtigte einzustellen, würde der Förderansatz ins Leere laufen. Die damit verfolgten arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen würden verfehlt.
Im Folgenden wird daher genauer aufgeschlüsselt, inwieweit die Betriebe die Instrumente des Teilhabechancengesetzes kennen und nutzen. Die Daten entstammen der IAB-Stellenerhebung, einer quartalsweise durchgeführten Betriebsbefragung zu offenen Stellen und zur Stellenbesetzung (siehe Infokasten „IAB-Stellenerhebung“).
Rund ein Viertel der Betriebe in Deutschland kennt die mit dem Teilhabechancengesetz geschaffenen Fördermöglichkeiten
Arbeitgeber können arbeitsmarktpolitische Maßnahmen nur dann nutzen, wenn sie die existierenden Fördermöglichkeiten kennen. Nicht ohne Grund pflegen die Jobcenter ihre Kontakte zu den Arbeitgebern der Region und akquirieren bisweilen gezielt Betriebe, um sie für die Nutzung bestimmter Förderprogramme zu gewinnen.
Im Falle des ESF-Bundesprogramms „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“, dem Vorgängerprogramm des gleichnamigen, mit dem Teilhabechancengesetz eingeführten Instruments, stellten die Jobcenter sogar eigens Personal ab – die sogenannten Betriebsakquisiteurinnen und -akquisiteure, um Betriebe zu gewinnen, die schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose einstellen.
Eine solche Spezialisierung von Teilen des Jobcenter-Personals gibt es im Falle der Instrumente des Teilhabechancengesetzes zwar nicht. Gleichwohl berichten die Jobcenter auch in diesem Zusammenhang von teils intensiven Bemühungen, um Betriebe anzusprechen und zu gewinnen. Dies zeigen die Ergebnisse einer qualitativen Befragung von Jobcentern, die Teil der IAB-Evaluation des Teilhabechancengesetzes ist (nähere Informationen finden Sie im IAB-Forschungsbericht 3/2021).
Das Teilhabechancengesetz und die beiden damit geschaffenen Förderinstrumente, das zeigt die IAB-Stellenerhebung, sind rund einem Viertel aller Betriebe in Deutschland bekannt (siehe Abbildung 1). Die Bekanntheit nimmt dabei mit steigender Betriebsgröße zu. Unter den Betrieben mit weniger als 10 Beschäftigten kennen lediglich 20 Prozent die Instrumente, bei Großbetrieben mit 250 und mehr Beschäftigten sind es immerhin gut 55 Prozent.
Neben der Betriebsgröße variiert die Bekanntheit des Teilhabechancengesetzes auch mit dem Wirtschaftszweig. Einen überdurchschnittlichen Bekanntheitsgrad haben die Instrumente vor allem im Wirtschaftszweig „Bildung, Gesundheit und Soziales“ mit 32 Prozent und in der „Öffentlichen Verwaltung“ mit 56 Prozent (ohne Abbildung).
Es ist aus verschiedenen Gründen allerdings nicht ganz klar, wie aussagekräftig diese Werte sind. Ohne Referenzwerte für vergleichbare arbeitsmarktpolitische Maßnahmen lässt sich nicht sagen, ob die für das Teilhabechancengesetz erhobenen Werte für eine hohe oder eher niedrige Bekanntheit unter den Betrieben sprechen. Dies zu wissen, ist jedoch relevant bei der Entscheidung, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind, um die Bekanntheit zu erhöhen.
In früheren Wellen der IAB-Stellenerhebung wurden die Bekanntheitswerte für die Arbeitsgelegenheiten, umgangssprachlich häufig als Ein-Euro-Jobs bezeichnet, sowie für den zwischen 2007 und 2012 existierenden Beschäftigungszuschuss erhoben. Deren Bekanntheitswerte fallen dabei mit 30 Prozent beziehungsweise 56 Prozent höher aus (diese Angaben sind dem IAB-Forschungsbericht 2/2007 und einem 2021 von mehreren Instituten verfassten Abschlussbericht zur Evaluation des Beschäftigungszuschusses entnommen).
Die für diese beiden Programme ermittelten Werte eignen sich allerdings nur bedingt als Referenz für die Bekanntheit des Teilhabechancengesetzes. So wurde die Bekanntheit der Arbeitsgelegenheiten bislang nur im Einführungsjahr der Grundsicherung für Arbeitsuchende erfragt, und die Mehrheit der Betriebe hat die Frage zudem nicht beantwortet. Im Falle des Beschäftigungszuschusses dagegen gibt es Gründe für die Annahme, dass es auf Seiten der Betriebe zu Verwechslungen mit anderen Maßnahmen der Beschäftigungsförderung gekommen ist. Die ermittelten Bekanntheitswerte sind daher, wie die Autor*innen des Abschlussberichts selbst einräumen, „mit Vorsicht“ zu interpretieren.
Auch beim Teilhabechancengesetz ist davon auszugehen, dass die knapp 13.000 befragten Betriebe die Instrumente teils mit anderen Fördermaßnahmen von Arbeitsagenturen oder Jobcentern verwechselt haben. Dieser Schluss ist naheliegend, da die in der Stellenerhebung befragten Betriebe deutlich häufiger angeben, die Instrumente des Teilhabechancengesetzes genutzt zu haben, als dies aus den administrativen Betriebsdaten des IAB hervorgeht (siehe Infokasten „IAB-Stellenerhebung“).
Ein denkbarer Grund für die Verwechslung könnte sein, dass die bis 2018 existierenden Förderprogramme des Bundes – „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ und „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ – identische beziehungsweise nahezu identische Namen trugen wie deren Nachfolgeprogramme.
Ungeachtet dessen weisen beide Datenquellen vergleichbare Ergebnisse hinsichtlich wichtiger Strukturmerkmale auf. So haben Maximilian Schiele und Koautoren in einem aktuellen Beitrag für das IAB-Forum gezeigt, dass vor allem größere Betriebe die Lohnkostenförderung des Teilhabechancengesetzes in Anspruch nehmen. Dies deckt sich mit den Befunden aus der IAB-Stellenerhebung, denen zufolge eher größere Betriebe die Instrumente kennen. Gleiches gilt für die Bekanntheit nach Wirtschaftszweig. Auch in dieser Hinsicht ähneln sich die Befunde beider Studien.
Betriebe, die Langzeitarbeitslose bei der Stellenbesetzung berücksichtigen, kennen das Teilhabechancengesetz weitaus häufiger
Neben der Betriebsgröße und dem Wirtschaftszweig unterscheidet sich die Bekanntheit der Instrumente auch danach, ob Betriebe bei der Besetzung offener Stellen (Langzeit-)Arbeitslose in Betracht ziehen oder nicht (siehe Abbildung 2). Nur 17 Prozent der Betriebe, die arbeitslose Bewerber*innen grundsätzlich nicht bei der Stellenbesetzung berücksichtigen, kennen die Fördermöglichkeiten des Teilhabechancengesetzes. Bei Betrieben, die Personen mit einer Arbeitslosigkeitsdauer von wenigen Monaten beziehungsweise weniger als einem Jahr berücksichtigen, sind es mit 19,6 beziehungsweise 24,2 Prozent etwas mehr.
Das Wissen um die beiden Lohnkostenzuschüsse des Teilhabechancengesetzes ist, wenig überraschend, am meisten bei jenen Betrieben verbreitet, die auch Bewerbungen von Personen berücksichtigen, die bereits mehr als zwölf Monate keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen sind. Hier liegt der Anteil bei 33,5 Prozent. Diese Betriebe dürften bereits in der Vergangenheit nicht selten Kontakte zur Arbeitsagentur oder zum Jobcenter gehabt haben und daher deren Förder- und Unterstützungsangebote eher kennen.
Bei Betrieben wiederum, die nach eigenen Angaben bisher keine (Langzeit-)Arbeitslosen berücksichtigen, könnte eine gezieltere Bewerbung der Instrumente dazu beitragen, künftig auch Langzeitarbeitslosen eine Chance zu geben.
Die Mehrheit der Förderbetriebe beschäftigt jeweils nur eine geförderte Person
Rund 20 Prozent aller Betriebe, die die Fördermöglichkeiten des Teilhabechancengesetzes kennen, gaben an, diese zum Zeitpunkt der Befragung Ende 2021 bereits genutzt zu haben (siehe Abbildung 3). Erwartungsgemäß ist unter den größeren Betrieben, die die Lohnkostenförderung zur Einstellung langzeitarbeitsloser Menschen kennen, der Anteil derer, die die Fördermöglichkeiten auch bereits genutzt haben, größer als der entsprechende Anteil unter den kleineren Betrieben.
Dieses Ergebnis deckt sich, wie oben bereits erwähnt, mit den Analysen von Schiele und Kollegen. Ihren Auswertungen zufolge liegt die durchschnittliche Zahl der Beschäftigten in den Förderbetrieben bei gut 78 im Falle des Instruments „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ und bei 89 für das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“. Bei den Betrieben ohne Förderung sind es hingegen lediglich durchschnittlich 14,5 Beschäftigte.
Zudem zeigt sich, dass die große Mehrheit der gut 20 Prozent der Betriebe, die diese Instrumente nutzen, nach eigenen Angaben nur eine geförderte Person beschäftigt. Umgekehrt hat weniger als jeder dritte dieser Betriebe zwei oder mehr Personen über diese Förderung eingestellt.
Auf die Frage nach einer zukünftig geplanten Nutzung antworten knapp 5 Prozent der Betriebe, denen die Instrumente bekannt sind, diese in den kommenden zwölf Monaten in Anspruch nehmen zu wollen. 51,5 Prozent planen dies nicht, rund 44 Prozent sind noch unentschieden (nicht als Abbildung dargestellt).
Von den Betrieben, die die Fördermöglichkeiten bereits genutzt haben, plant mit rund 15 Prozent ein deutlich größerer Anteil eine erneute Inanspruchnahme. Knapp 41 Prozent haben hingegen nicht vor, die Fördermöglichkeiten in den nächsten zwölf Monaten erneut zu nutzen. Knapp 44 Prozent sind in dieser Frage noch unentschieden.
Eine zu komplizierte Antragstellung und schlechte Erfahrungen werden nur selten als Hinderungsgründe genannt
Gefragt nach den Gründen, aufgrund derer sie die Fördermöglichkeiten des Teilhabechancengesetzes nicht nutzen, nennen die Betriebe mit Abstand am häufigsten das Fehlen passender Arbeitsplätze sowie fehlenden Personalbedarf (Abbildung 4). Letzteres geben vor allem kleinere Betriebe besonders häufig an. Eher nachrangige Hinderungsgründe sind dagegen die bürokratischen Anforderungen des Antragsverfahrens, die mangelnde finanzielle Attraktivität der Förderung und schlechte Erfahrungen mit solchen Programmen in der Vergangenheit.
Fazit
Das Teilhabechancengesetz und die mit ihm geschaffenen Fördermöglichkeiten sind Ende 2021, und damit fast drei Jahre nach deren Einführung, rund einem Viertel aller Betriebe in Deutschland bekannt. Mit zunehmender Betriebsgröße steigt auch die Bekanntheit der Instrumente. Das deckt sich mit anderen Befunden der IAB-Evaluation des Teilhabechancengesetzes, denen zufolge die Förderbetriebe im Durchschnitt deutlich mehr Beschäftigte haben. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass die erhobenen Angaben zur Bekanntheit der Instrumente überschätzt sind.
Hervorzuheben ist ebenfalls, dass die Bekanntheit auch mit der Bereitschaft der Betriebe variiert, arbeitslose beziehungsweise langzeitarbeitslose Bewerberinnen und Bewerber bei Neueinstellungen zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Betriebe, die grundsätzlich auch Langzeitarbeitslose bei der Stellenbesetzung berücksichtigen, kennen die Instrumente des Teilhabechancengesetzes häufiger.
Der in der Befragung ermittelte Bekanntheitsgrad ist aus verschiedenen Gründen nur bedingt aussagekräftig. Da beide Instrumente privatwirtschaftlichen Betrieben ebenso offenstehen wie öffentlichen und gemeinnützigen Arbeitgebern, dürfte die Bekanntheit gleichwohl bei beiden Fördermöglichkeiten noch ausbaufähig sein – und damit zumindest potenziell auch die Inanspruchnahme durch die Betriebe. Dies gilt insbesondere für kleinere Betriebe, die die Fördermöglichkeiten des Teilhabechancengesetzes vergleichsweise selten kennen und nutzen.
IAB-Stellenerhebung
Die IAB-Stellenerhebung ist eine Befragung von Betrieben und Verwaltungsstellen, die seit 1989 in Westdeutschland und seit 1992 in Ostdeutschland durchgeführt wird. In den Jahren 2010 bis 2021 haben sich jährlich etwa zwischen 12.000 und 15.000 Betriebe daran beteiligt, deren Angaben repräsentativ hochgerechnet und gewichtet werden.
Die IAB-Stellenerhebung wird vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Zusammenarbeit mit einem beauftragten Erhebungsinstitut durchgeführt. Es handelt sich um die einzige Erhebung in Deutschland, die repräsentativ auf vierteljährlicher Basis die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitskräftebedarfs misst und jährlich detaillierte Informationen über den betrieblichen Rekrutierungsprozess erhebt.
Für die vorliegenden Analysen wurde ein Fragemodul aus dem 4. Quartal 2021 zur betrieblichen Nutzung und Einschätzung der Fördermöglichkeiten von Langzeitarbeitslosen im Rahmen des Teilhabechancengesetzes ausgewertet. Das Modul ist Teil der Evaluation des Teilhabechancengesetzes, die das IAB im Rahmen seines gesetzlichen Forschungsauftrags durchführt.
Nach einem Einführungstext wurden die Betriebe zunächst gefragt, ob ihnen das Teilhabechancengesetz zur Förderung der Beschäftigung Langzeitarbeitsloser bekannt ist. Dabei wurde nicht nach den beiden Fördermöglichkeiten „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ und „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ differenziert. Anschließend wurden Betriebe, denen die Förderung bekannt ist, nach der tatsächlichen oder geplanten Nutzung sowie nach Hinderungsgründen befragt.
Während die Auswertungen entlang verschiedener Betriebsmerkmale wie beispielsweise der Betriebsgröße und dem Wirtschaftszweig möglich ist, kann hingegen nicht nach privaten, öffentlichen und gemeinnützigen Betrieben unterschieden werden. Die entsprechenden Merkmale werden in der Stellenerhebung nicht erfragt.
Es ist davon auszugehen, dass in den Befragungsergebnissen sowohl die Bekanntheit als auch die Inanspruchnahme der Fördermöglichkeiten nach dem Teilhabechancengesetz aufgrund von Verwechslungen mit anderen Maßnahmen der Beschäftigungsförderung überschätzt werden. Zudem können Selektionsprozesse dazu führen, dass Betriebe, die die Fördermaßnahmen kennen oder die Geförderte einstellen, eine höhere Antwortwahrscheinlichkeit haben und die Hochrechnungsgewichte dafür nicht ausreichend korrigieren. Dies führt dazu, dass die tatsächliche Bekanntheit und Nutzung wahrscheinlich geringer ausfallen dürfte.
In aller Kürze
- Mit Einführung des Teilhabechancengesetzes im Jahr 2019 können alle Betriebe in Deutschland zwei neue Lohnkostenzuschüsse in Anspruch nehmen, wenn sie langzeitarbeitslose Leistungsberechtigte der Grundsicherung für Arbeitsuchende einstellen.
- Rund einem Viertel aller Betriebe sind die Fördermöglichkeiten bekannt, zeigen Ergebnisse aus dem Jahr 2021 der IAB-Stellenerhebung, einer regelmäßigen Betriebsbefragung des IAB.
- Mit zunehmender Betriebsgröße nehmen der Bekanntheitsgrad der Instrumente sowie die Häufigkeit ihrer Nutzung zu.
- Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass die erhobenen Angaben zur Bekanntheit und Nutzung der Instrumente überschätzt sind.
Literatur
Die IAB-Stellenerhebung ist eine Befragung von Betrieben und Verwaltungsstellen, die seit 1989 in Westdeutschland und seit 1992 in Ostdeutschland durchgeführt wird. In den Jahren 2010 bis 2021 haben sich jährlich etwa zwischen 12.000 und 15.000 Betriebe daran beteiligt, deren Angaben repräsentativ hochgerechnet und gewichtet werden.
Die IAB-Stellenerhebung wird vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Zusammenarbeit mit einem beauftragten Erhebungsinstitut durchgeführt. Es handelt sich um die einzige Erhebung in Deutschland, die repräsentativ auf vierteljährlicher Basis die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitskräftebedarfs misst und jährlich detaillierte Informationen über den betrieblichen Rekrutierungsprozess erhebt.
Für die vorliegenden Analysen wurde ein Fragemodul aus dem 4. Quartal 2021 zur betrieblichen Nutzung und Einschätzung der Fördermöglichkeiten von Langzeitarbeitslosen im Rahmen des Teilhabechancengesetzes ausgewertet. Das Modul ist Teil der Evaluation des Teilhabechancengesetzes, die das IAB im Rahmen seines gesetzlichen Forschungsauftrags durchführt.
Nach einem Einführungstext wurden die Betriebe zunächst gefragt, ob ihnen das Teilhabechancengesetz zur Förderung der Beschäftigung Langzeitarbeitsloser bekannt ist. Dabei wurde nicht nach den beiden Fördermöglichkeiten „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ und „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ differenziert. Anschließend wurden Betriebe, denen die Förderung bekannt ist, nach der tatsächlichen oder geplanten Nutzung sowie nach Hinderungsgründen befragt.
Während die Auswertungen entlang verschiedener Betriebsmerkmale wie beispielsweise der Betriebsgröße und dem Wirtschaftszweig möglich ist, kann hingegen nicht nach privaten, öffentlichen und gemeinnützigen Betrieben unterschieden werden. Die entsprechenden Merkmale werden in der Stellenerhebung nicht erfragt.
Es ist davon auszugehen, dass in den Befragungsergebnissen sowohl die Bekanntheit als auch die Inanspruchnahme der Fördermöglichkeiten nach dem Teilhabechancengesetz aufgrund von Verwechslungen mit anderen Maßnahmen der Beschäftigungsförderung überschätzt werden. Zudem können Selektionsprozesse dazu führen, dass Betriebe, die die Fördermaßnahmen kennen oder die Geförderte einstellen, eine höhere Antwortwahrscheinlichkeit haben und die Hochrechnungsgewichte dafür nicht ausreichend korrigieren. Dies führt dazu, dass die tatsächliche Bekanntheit und Nutzung wahrscheinlich geringer ausfallen dürfte.
In aller Kürze
- Mit Einführung des Teilhabechancengesetzes im Jahr 2019 können alle Betriebe in Deutschland zwei neue Lohnkostenzuschüsse in Anspruch nehmen, wenn sie langzeitarbeitslose Leistungsberechtigte der Grundsicherung für Arbeitsuchende einstellen.
- Rund einem Viertel aller Betriebe sind die Fördermöglichkeiten bekannt, zeigen Ergebnisse aus dem Jahr 2021 der IAB-Stellenerhebung, einer regelmäßigen Betriebsbefragung des IAB.
- Mit zunehmender Betriebsgröße nehmen der Bekanntheitsgrad der Instrumente sowie die Häufigkeit ihrer Nutzung zu.
- Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass die erhobenen Angaben zur Bekanntheit und Nutzung der Instrumente überschätzt sind.
Baur, Frank et al (2021): Evaluation der Förderinstrumente nach §16e und §16i SGB II – Zwischenbericht. IAB-Forschungsbericht Nr. 3.
Boockmann, Bernhard et al. (2021): Evaluation des ESF-Bundesprogramms zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter nach dem SGB II auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt – Aktualisierter Endbericht. Bundesministerium für Arbeit und Soziales – Forschungsbericht 576.
Apel, Helmut et al. (2011): Evaluation der Leistungen zur Beschäftigungsförderung nach § 16e Abs. 10 SGB II. Endbericht. Bundesministerium für Arbeit und Soziales – Forschungsbericht 413.
Kettner, Anja; Rebien, Martina (2007): Soziale Arbeitsgelegenheiten. Einsatz und Wirkungsweise aus betrieblicher und arbeitsmarktpolitischer Perspektive. IAB-Forschungsbericht Nr. 2.
Schiele, Maximilian; Tübbicke, Stefan; Wolff, Joachim (2022): Mit dem Teilhabechancengesetz haben sich die Chancen auf eine marktnahe Förderung tendenziell verbessert (Serie „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen und Teilhabe am Arbeitsmarkt“). In: IAB-Forum, 26.07.2022.
Bild: Andrey Popov/stock.adobe.com
doi: 10.48720/IAB.FOO.20230421.01
Pohlan, Laura; Ramos Lobato, Philipp (2023): Arbeitsmarktintegration von Langzeitarbeitslosen: Viele Betriebe kennen das Teilhabechancengesetz nicht, In: IAB-Forum 21. April 2023, https://www.iab-forum.de/arbeitsmarktintegration-von-langzeitarbeitslosen-viele-betriebe-kenn-das-teilhabechancengesetz-nicht/, Abrufdatum: 17. November 2024
Autoren:
- Laura Pohlan
- Philipp Ramos Lobato