Revidierte Fassung vom 17.12.2021. Die Ergebnisse dieser Publikation wurden zwischenzeitlich einer Revision unterzogen, da im Zuge der Qualitätssicherung nachträglich Interviews ausgeschlossen werden mussten. Die gegenüber der am 6.4.2021 erschienenen Erstversion geänderten Werte sind im Text und in den Abbildungen gekennzeichnet. Der Titel des Beitrags wurde ebenfalls geändert (alter Titel: Ein Viertel der mit Corona-Hilfen unterstützten Betriebe sieht dennoch eine Insolvenzgefahr;  neuer Titel: Über ein Viertel der mit Corona-Hilfen unterstützten Betriebe sieht dennoch eine Insolvenzgefahr). 


Um die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie abzumildern, hat die Politik verschiedene Unterstützungsprogramme für betroffene Unternehmen aufgelegt. Befragungsergebnisse aus der IAB-Stellenerhebung zeigen, dass insbesondere kleine und mittlere Betriebe solche staatlichen Hilfen beantragt haben. Gerade Kleinstbetriebe schätzen deren Nutzen als hoch oder sehr hoch ein. Gleichwohl entwickelt sich die Beschäftigung in den betroffenen Betrieben vergleichsweise ungünstig, und die Betriebe sehen sich häufiger in ihrer Existenz bedroht.

Infolge der im März und November/Dezember 2020 beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie mussten viele Betriebe ihre wirtschaftlichen Aktivitäten einschränken oder für die Dauer des Lockdowns ganz schließen. Im vierten Quartal 2020 wurden die Betriebe Im Rahmen der IAB-Stellenerhebung danach befragt, inwieweit sie verschiedene staatliche Unterstützungsmaßnahmen in Form von Sofort- und Überbrückungshilfen und Kreditprogrammen in Anspruch genommen haben.

Mit dieser Befragung dürften vorwiegend die Anträge und die Inanspruchnahme von bereits vorher aufgelegten Kredit- und Soforthilfe-Programmen erfasst werden. Letztere umfassen zum Beispiel die im Frühjahr 2020 vom Bund verabschiedeten Soforthilfepakete und die Überbrückungshilfeprogramme I und II (siehe Infokasten „Soforthilfen“). Die im Zuge des zweiten Lockdowns angekündigten November- und Dezemberhilfen konnten erst ab Ende November beziehungsweise Ende Dezember beantragt werden.

28 [alt: 19] Prozent aller befragten Betriebe hatten im vierten Quartal 2020 Corona-Hilfen beantragt

Im vierten Quartal 2020 gaben insgesamt 28 [alt: 19] Prozent aller befragten Betriebe an, staatliche Hilfen beantragt zu haben (siehe Abbildung 1). Betrachtet man nur diejenigen Betriebe, die nach eigenen Angaben negativ von der Covid-19-Pandemie betroffen waren, so lag der Anteil bei 49 [alt: 39] Prozent (ohne Abbildung). 94 Prozent der Antragsteller wurden die überwiegend im Frühjahr und Sommer beantragten Unterstützungsleistungen bis zum Befragungszeitpunkt nach eigenen Angaben gewährt.

Während 30 [alt: 20] Prozent der Kleinstbetriebe mit weniger als 10 Beschäftigten Unterstützungsleistungen beantragten, waren es bei großen Betrieben mit 250 und mehr Beschäftigten nur 17 [alt: 8] Prozent (siehe Abbildung 1). Dieser geringere Anteil ist unter anderem auf Unterschiede in der Anspruchsberechtigung zurückzuführen (siehe Infokasten „Soforthilfen“): Nach eigenen Angaben hatten 27 Prozent der Kleinstbetriebe, jedoch nur 13 Prozent der großen Betriebe einen Anspruch auf staatliche Hilfen (ohne Abbildung).

Betriebe aus dem Bereich „Verkehr und Lagerei“ sowie aus dem Bereich „Sonstige Dienstleistungen“, der auch die Gastronomie und körpernahe Dienstleistungen umfasst, nahmen die Hilfen erwartungsgemäß am häufigsten in Anspruch. Hier lagen die Anteile mit 43 beziehungsweise 42 [alt: lag der Anteil mit 28] Prozent deutlich höher als beispielsweise im Verarbeitenden Gewerbe mit 30 [alt: 21] Prozent (siehe Abbildung 1).

Zwei Drittel der Antragsteller schätzen den Nutzen der Corona-Hilfen als hoch oder sehr hoch ein

Die Betriebe, die Hilfen beantragt hatten, wurden zudem gefragt, welchen Nutzen die staatlichen Unterstützungsleistungen aus ihrer Sicht bieten. 49 Prozent der Betriebe gaben an, einen sehr hohen Nutzen aus den Hilfen zu ziehen. Mit rund 31 [alt: 29] Prozent fiel dieser Anteil bei den großen Betrieben geringer aus als im Durchschnitt aller Betriebe (siehe Abbildung 2).

Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die Unterstützungsprogramme für größere Betriebe keine Zuschüsse, sondern Kredithilfen vorsehen. Zudem dürfte der Anteil der Betriebskosten, der durch die Hilfen abgedeckt wird, mit der Betriebsgröße abnehmen. So zeigen Analysen auf Basis des IAB-Betriebspanels, dass bereits Kleinstbetriebe mit 6 bis 10 Beschäftigten ihre Betriebskosten seltener durch die Corona-Soforthilfen decken können als Betriebe mit bis zu 5 Beschäftigten (lesen Sie dazu auch einen im Mai 2020 im IAB-Forum erschienenen Beitrag von Sandra Dummert und Koautoren). Da zum Zeitpunkt der Analyse noch keine aktuelleren Daten vorlagen, basieren diese Ergebnisse auf Informationen zu den Fixkosten und Vorleistungen für das Jahr 2018.

Trotz der Hilfen mussten Betriebe Beschäftige entlassen

Ein wichtiges Ziel der Programme besteht darin, die in wirtschaftliche Schieflage geratenen Betriebe finanziell zu entlasten und dadurch den Verlust von Arbeitsplätzen und Insolvenzen infolge der Corona-Krise möglichst zu vermeiden. Nach den Daten der IAB-Stellenerhebung mussten 22 [alt: 21] Prozent der Betriebe, die staatliche Hilfen beantragt hatten, im dritten Quartal 2020 Personal entlassen. Zum Vergleich: Bei den Betrieben, die im vierten Quartal 2020 ebenfalls überwiegend negativ von der Covid-19-Pandemie betroffen waren, aber keine Hilfen beantragt hatten, betrug dieser Anteil 18 [alt: 14] Prozent (siehe Abbildung 3).

Zudem rechneten 27 Prozent der Betriebe, die staatliche Hilfen beantragt hatten, in den nächsten 12 Monaten mit einem weiteren Rückgang der Beschäftigung. Bei den Betrieben, die keine Unterstützung beantragt hatten, waren es 15 [alt: 10] Prozent (siehe Abbildung 3). Schließlich befürchteten 28 Prozent [alt: rund ein Viertel] der Betriebe, die einen Antrag auf staatliche Hilfen gestellt hatten, eine Insolvenz. In der Vergleichsgruppe waren es dagegen 8 Prozent (siehe Abbildung 3).

Eine deutliche Diskrepanz zwischen den beiden Gruppen zeigt sich zudem, wenn man den Anteil der entlassenen Beschäftigten an allen Beschäftigten betrachtet: Betriebe, die seit Beginn der Pandemie staatliche Hilfen beantragt hatten, entließen im dritten Quartal 2020 4,5 [alt: 3,6] Prozent ihrer Beschäftigten. Bei denjenigen Betrieben, die keine staatliche Unterstützung beantragt hatten, waren es dagegen 1,8 [alt: 1,4] Prozent (siehe Abbildung 4). Während sich bei Betrieben, die staatliche Hilfen beantragt hatten, im dritten Quartal Entlassungen und Neueinstellungen die Waage hielten, haben die übrigen (negativ betroffenen) Betriebe insgesamt mehr Neueinstellungen als Entlassungen vorgenommen. Dies spiegelt auch die insgesamt positive Entwicklung der Beschäftigung im dritten Quartal wider.

Fazit

Die Arbeitsplatz- und Insolvenzrisiken fallen in denjenigen Betrieben, die staatliche Hilfen beantragt hatten, trotz der insgesamt positiven Einschätzung dieser Hilfen deutlich höher aus als in Betrieben, die nach eigenen Angaben nicht anspruchsberechtigt waren oder trotz Anspruch keinen Antrag gestellt hatten. Diese Unterschiede dürften zumindest teilweise darauf zurückführen sein, dass Betriebe, die keine Hilfen beantragt hatten, unter dem Strich weniger von den pandemiebedingten Einschränkungen betroffen waren.

Obgleich die Hilfen daran geknüpft sind, dass die wirtschaftliche Schieflage pandemiebedingt aufgetreten ist, ist zudem nicht gänzlich auszuschließen, dass sich diejenigen Betriebe, die Hilfen beantragt hatten, auch unabhängig von der Corona-Krise schlechter entwickelt hätten als die Vergleichsgruppe. Die berichteten Unterschiede geben daher keinen eindeutigen Aufschluss darüber, wie sich die Beschäftigungs- und Insolvenzrisiken ohne die staatlichen Hilfsprogramme entwickelt hätten.

Klar ist, dass die staatlichen Hilfen nicht jeden Arbeitsplatz retten konnten. Zugleich ist davon auszugehen, dass sie dazu beigetragen haben, zumindest temporär Beschäftigung zu sichern und die Zahl der drohenden Insolvenzen zu reduzieren.

Soforthilfen

Im Zuge des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 wurde seitens des Bundes in einem ersten Schritt das Corona-Soforthilfe-Programm aufgelegt. Im Rahmen des Programms konnten Selbstständige und kleine Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten Zuschüsse beantragen, um ihre laufenden Betriebskosten zu decken. Um die Anspruchsberechtigung auf mittelständische Unternehmen zu erweitern, wurde im Anschluss die „Überbrückungshilfe I“ beschlossen. Das Programm gewährte kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht rückzuzahlende Zuschüsse von bis zu 50.000 Euro pro Monat und richtete sich gezielt an Unternehmen, die infolge des Lockdowns im April und Mai 2020 Umsatzeinbußen von mindestens 60 Prozent gegenüber den gleichen Monaten des Vorjahres hinnehmen mussten. Das Programm „Überbrückungshilfe I“ hatte eine Laufzeit von Juni bis August 2020. Die Hilfen konnten auch rückwirkend für die Fördermonate Juni bis August 2020 beantragt werden, die Antragsfrist endete am 9. Oktober 2020.

Mit dem darauffolgenden Programm „Überbrückungshilfe II“ wurden die Zugangsvoraussetzungen flexibilisiert: Diese Hilfen konnten ab dem 21. Oktober 2020 für den Förderzeitraum September bis Dezember 2020 beantragt werden. Ab dem 25. November 2020 und dem 23. Dezember 2020 waren zusätzlich Anträge auf November- und Dezemberhilfen möglich. Sie sollten die Folgen der jeweils ab dem 2. November und 16. Dezember in Kraft getretenen Einschränkungen kompensieren. Die Überbrückungshilfen I und II richten sich an kleinere und mittlere Unternehmen, da die Anspruchsvoraussetzungen einen maximalen Jahresumsatz festlegen und die Unternehmen zudem nicht die Größenkriterien für den Zugang zum Wirtschaftsstabilisierungsfonds erfüllen dürfen.

Mit der „Überbrückungshilfe III“ wurden die staatlichen Hilfen erneut verlängert, deutlich vereinfacht und auf größere Unternehmen ausgeweitet. Damit sollen coronabedingte Umsatzausfälle durch Fixkostenzuschüsse abgefedert werden. Dies gilt für die Monate von November 2020 bis Juni 2021, wenn der Umsatzeinbruch pro Monat bei mindestens 30 Prozent liegt. Da diese Hilfen erst ab 2021 beantragt werden konnten, wird die Überbrückungshilfe III noch nicht durch den hier zugrunde gelegten Beobachtungszeitraum abgedeckt. (Quelle: BMWI).

IAB-Stellenerhebung

Das IAB untersucht mit der IAB-Stellenerhebung viermal jährlich das gesamte Stellenangebot, also auch jene Stellen, die den Arbeitsagenturen nicht gemeldet werden. Im vierten Quartal 2020 wurden im Rahmen einer Sonderbefragung zur Corona-Krise Antworten von rund 5.500 Arbeitgebern aller Wirtschaftsbereiche ausgewertet. Aktuelle Zahlen zur (langfristigen) Entwicklung der offenen Stellen sowie weiterer Kenngrößen zum Arbeitsmarkt auf Basis der IAB-Stellenerhebung finden Sie auf der IAB-Website. Hier finden Sie auch regelmäßig aktuelle Befunde auf Basis der Sonderfragen zu Corona im Rahmen der IAB-Stellenerhebung.

Literatur

Dummert, Sandra; Grunau, Philipp; Müller, Dana; vom Berge, Philipp (2020): Wirtschaftsförderung in Zeiten von Corona: Potenzielle Nutzung und Nutzen der staatlichen Soforthilfe. In: IAB-Forum, 20.5.2020.

 

Gürtzgen, Nicole; Kubis, Alexander (2021): Über ein Viertel der mit Corona-Hilfen unterstützten Betriebe sieht dennoch eine Insolvenzgefahr, In: IAB-Forum 6. April 2021, https://www.iab-forum.de/ein-viertel-der-mit-corona-hilfen-unterstuetzten-betriebe-sieht-dennoch-eine-insolvenzgefahr-2/, Abrufdatum: 19. December 2024

 

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