Der Krieg in der Ukraine, Lieferengpässe und Preiserhöhungen belasten die wirtschaftliche Entwicklung. Hinzu kommen Unsicherheiten aufgrund der reduzierten Gaslieferungen aus Russland. Die Lageeinschätzung der Unternehmen hat sich im Juni etwas eingetrübt. Die Erholung der Beschäftigung setzt sich dennoch verlangsamt fort. Die Arbeitslosigkeit steigt an, da arbeitsuchende ukrainische Geflüchtete nun in der Grundsicherung betreut werden. Die Entwicklung der nächsten Monate bleibt mit hohen Unsicherheiten verbunden.

Weltwirtschaft

Das weltwirtschaftliche Umfeld hat sich durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine deutlich verschlechtert. Sanktionen, Unterbrechungen von Lieferketten und Preissteigerungen, wie bei Energie und Nahrungsmitteln, beschränken die wirtschaftlichen Aktivitäten. Hinzu kommt die Erhöhung der Leitzinsen durch mehrere Zentralbanken. Dies verteuert Kredite und dämpft die Nachfrage. Die Einschätzung der aktuellen Lage hat sich nach dem Einbruch im März für den Euroraum und die USA im Juni wieder etwas erholt. Für China dagegen hat sich die Lageeinschätzung aufgrund der coronabedingten Einschränkungen deutlich verschlechtert, die Erwartung für die nächsten Monate dagegen deutlich gebessert. Die Erwartungen für den Euroraum und die USA haben sich kaum geändert.

Außenhandel

Der deutsche Außenhandel ist mit Beginn des Krieges Ende Februar zunächst zurückgegangen. Trotz des Wegfalls der Exporte nach Russland haben sich die Exporte aber wieder erholt. So konnten die Ausfuhren im April gegenüber dem Vormonat um 4,4 Prozent zulegen, nachdem sie im Monat zuvor um 3,0 Prozent eingebrochen waren. Die Exporte in Nicht-EU-Staaten sind im Mai um 1,1 Prozent gewachsen. Im Juni sind die Exporterwartungen im Verarbeitenden Gewerbe leicht gesunken.

Investitionen

Die Umsätze bei den Investitionsgütern haben sich im April wieder etwas erholt, nachdem sie in den beiden Vormonaten zurückgegangen waren. Die Auftragseingänge haben sich erneut verringert. Materialengpässe, Verteuerungen von Energie und Rohstoffen und die Unsicherheit über die weitere Entwicklung in der Ukraine belasten die Investitionsdynamik. Hinzu kommen Risiken durch die reduzierten Gaslieferungen aus Russland. Die Einschätzung der Lage der Investitionsgüterproduzenten hat sich im Juni gegenüber dem Vormonat etwas verschlechtert. Ihre Erwartungen für die kommenden Monate haben sich deutlich eingetrübt und sind nun im negativen Bereich. Im Bauhauptgewerbe sind die Auftragseingänge im April zurückgegangen. Die Erwartungen der Betriebe dort haben sich im Juni erneut verbessert, bleiben aber noch deutlich negativ.

Konsum

Durch den Wegfall der coronabedingten Einschränkungen hat sich der Konsum in den vergangenen Monaten belebt. Im Gastgewerbe etwa stiegen im April die Umsätze saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat um 2,6 Prozent, damit aber langsamer als in den Vormonaten. Das Niveau von vor der Pandemie wurde noch nicht erreicht. Die Geschäftslage im Handel hat sich im Juni wieder eingetrübt. Auch die Erwartungen des Handels für die nächsten Monate haben sich etwas verschlechtert. Das Konsumklima hat im Juni weiter nachgegeben. Die Konsumnachfrage profitiert zwar von Erholungseffekten nach den coronabedingten Einschränkungen. Lieferengpässe und teilweise kräftige Preissteigerungen dämpfen jedoch die Nachfrage.

Arbeitsmarkt

Die Zunahme der Beschäftigung hat sich verlangsamt, aber setzt sich fort. Die Arbeitslosigkeit nimmt im Juni um 133 .000 Personen zu. Der Anstieg findet vor allem im Bereich der Grundsicherung statt und ist überwiegend auf ukrainische Geflüchtete zurückzuführen, die nun im Grundsicherungssystem betreut werden.  Der Bestand an gemeldeten offenen Stellen sinkt erstmals seit Monaten leicht. Auch die Zahl der neu gemeldeten offenen Stellen sinkt. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer geht deutlich zurück, liegt aber mit 102,9 Punkten weiter im positiven Bereich. Für den positiven Wert sorgt in diesem Monat die Beschäftigungskomponente des Barometers, während die Arbeitslosigkeitskomponente angesichts der Erfassung der ukrainischen Geflüchteten in der Grundsicherung erstmals in diesem Jahr im negativen Bereich liegt.

doi: 10.48720/IAB.FOO.20220630.01

Gartner, Hermann; Weber, Enzo (2022): Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage – Juni 2022, In: IAB-Forum 30. Juni 2022, https://www.iab-forum.de/einschaetzung-des-iab-zur-wirtschaftlichen-lage-juni-2022/, Abrufdatum: 18. November 2024