In vielen Staaten der westlichen Welt erreichen die geburtenstarken Jahrgänge allmählich das Rentenalter. Das stellt die Rentensysteme vor Probleme. Dass ältere Menschen noch länger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, ist jedoch kein Selbstläufer. Wie Deutschland dazu im internationalen Vergleich abschneidet, beleuchtet Ulrich Walwei, Vizedirektor des IAB, in einem aktuellen Forschungsbericht. Die Redaktion des IAB-Forum hat dazu bei ihm nachgefragt.

Wie schneidet Deutschland bei der Erwerbstätigkeit Älterer im internationalen Vergleich ab?

Prof. Dr. Ulrich Walwei ist Vizedirektor des IAB.

Erst einmal sehen wir, dass hierzulande die Erwerbstätigenquoten Älterer in allen Altersgruppen jenseits der 50 Jahre spürbar nach oben gegangen sind. Ältere sind eindeutig die Gewinner des hiesigen Beschäftigungsaufschwungs. Auch im internationalen Vergleich zeigt sich die Verbesserung. Deutschland hat kräftig aufgeholt – allerdings nicht bei allen Altersgruppen gleich stark. Während Deutschland bei den 50- bis 64-Jährigen der internationalen Spitzengruppe nahegekommen ist, gilt dies nicht für die über 65-Jährigen. Bei Letzteren liegt Deutschland noch immer deutlich unter dem OECD-Durchschnitt.

Was machen andere Länder besser?

Es gibt keine monokausale Erklärung für die Erwerbsbeteiligung Älterer. Betrachtet man die europäischen Spitzenreiter bei den Erwerbstätigenquoten Älterer, nämlich Island, Schweden und Norwegen, sind zwei Faktoren auffällig. Zum einen sorgt eine allgemein hohe Frauenerwerbsbeteiligung dafür, dass Frauen auch im Alter in stärkerem Maße am Arbeitsmarkt präsent sind. Zum anderen trägt in den skandinavischen Ländern die gute Schulbildung, eine insgesamt hohe Qualifikation und eine umfassende Weiterbildung dazu bei, dass die Beschäftigungschancen auch im Alter besser sind.

Schaut man auf die außereuropäischen Spitzenreiter wie Japan und Neuseeland, sind wiederum andere Faktoren von Bedeutung. In beiden Ländern werden mit der Erwerbstätigkeit im Alter Lücken in der Alterssicherung geschlossen. In Japan kommt aber der hohe Bedarf der Wirtschaft dazu, weil Migration kaum eine Rolle spielt. In Neuseeland ist sogar schon von dem Begriff „The Great Unretirement“ die Rede. Dort zeigen sich ein geringer Lohnabstand zwischen Älteren und Jüngeren und erstaunlich hohe Einstellungsquoten Älterer, die einer konsequenten und öffentlich wahrnehmbaren Antidiskriminierungspolitik folgen.

Die Gesundheitsvorsorge ist unbedingt auszubauen.

Welche konkreten Maßnahmen halten Sie in Deutschland für besonders vordringlich?

Ich würde hier klar auf präventive Maßnahmen setzen. Bildungs- und Ausbildungsarmut sind soweit wie möglich zu vermeiden und die Gesundheitsvorsorge ist unbedingt auszubauen. Auch die Rahmenbedingungen für die Erwerbstätigkeit von Eltern und Pflegenden sind weiter zu verbessern, damit insbesondere Frauen Teilzeitphasen und Erwerbslücken im Lebensverlauf verringern können.

Insbesondere die Rente mit 63 wird hierzulande kontrovers diskutiert. Welchen Effekt hätte eine Abschaffung auf das tatsächliche Renteneintrittsalter?

Das tatsächliche Renteneintrittsalter würde ohne die Rente mit 63 höher ausfallen als mit der Regelung, auch wenn davon auszugehen ist, dass ein Teil der anspruchsberechtigten Personen wohl auch mit Abschlägen in den Ruhestand gehen würde. Der Effekt wird zudem dadurch kleiner, dass Akademikerinnen und Akademiker die geforderten 45 Versicherungsjahre in der Altersspanne erst gar nicht erreichen.

Die Rente mit 63 ist vor allem deshalb problematisch, weil sie dem Arbeitsmarkt viele Fachkräfte entzieht, die auf diese Regelung gar nicht angewiesen sind. Etwa Personen mit geringer Arbeitsbelastung in Bürotätigkeiten und gutem Gesundheitsbefinden, die diese aktuelle Regelung ebenfalls in Anspruch nehmen.

Literatur

Walwei, Ulrich (2024): Ältere Arbeitskräfte im demografischen Wandel: Beschäftigungspotenziale im internationalen Vergleich. IAB-Forschungsbericht Nr. 14.

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20240710.01