14. Juni 2021 | Serie „Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt“
Homeoffice in der Corona-Krise: Vorbehalte haben abgenommen
Viele Beschäftigte sind im Frühjahr 2020 erstmals ins Homeoffice gewechselt oder haben dieses erheblich häufiger genutzt als vorher (lesen Sie dazu auch den IAB-Kurzbericht 05/2021). Während der Sommermonate ging der Anteil derer, die von zu Hause aus arbeiten, zunächst leicht zurück. Angesichts der zweiten Welle und der daraufhin beschlossenen Eindämmungsmaßnahmen nahm der Anteil im Spätherbst aber wieder kräftig zu.
Ob ein Wechsel ins Homeoffice überhaupt möglich ist, hängt in erster Linie davon ab, inwieweit die berufliche Tätigkeit zu Hause ausgeführt werden kann. Beim Homeoffice-Potenzial lassen sich verschiedene Abstufungen unterscheiden (zu den verwendeten Daten siehe Infokasten):
- das bereits genutzte Potenzial – Beschäftigte, die zumindest teilweise von zu Hause arbeiten
- das nicht nutzbare Potenzial – Beschäftigte, die ihre Tätigkeit nicht im Homeoffice ausüben können
- das mittelfristig nutzbare Potenzial – Beschäftigte, deren Tätigkeit zwar für Homeoffice geeignet ist, die derzeit aufgrund fehlender technischer Voraussetzungen aber nicht im Homeoffice arbeiten können
- das kurzfristig nutzbare Potenzial.
Dies betrifft sowohl Fälle, in denen – trotz geeigneter Tätigkeit und vorhandener Technik – Arbeitgeber oder Vorgesetzte kein Homeoffice zulassen, als auch Fälle, in denen die Beschäftigten selbst nicht im Homeoffice arbeiten möchten. Ein Beispiel ist der Wunsch, Beruf und Privatleben zu trennen.
Im Februar 2021 arbeiteten 36 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice – gut doppelt so viele wie vor der Pandemie
Die nachfolgenden Analysen basieren auf der IAB-Befragung „Leben und Erwerbstätigkeit in Zeiten von Corona“ (siehe Infokasten „Daten“). Das genutzte Potenzial stieg im Betrachtungszeitraum deutlich. Vor der Pandemie nutzten etwa 16 Prozent der Beschäftigten die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Im August 2020 lag dieser Wert bei 25 Prozent, bis Februar 2021 stieg er auf gut 36 Prozent (siehe Tabelle). Dass der Anteil im August 2020 deutlich geringer ausfiel als im Februar 2021, dürfte vor allem an den vorübergehend im Sommer 2020 rückläufigen, aber danach wieder stark ansteigenden Infektionszahlen gelegen haben. Zugleich ging der Anteil der Tätigkeiten, die sich nicht für Homeoffice eignen, bis Februar 2021 nur leicht zurück (dieser Rückgang ist zudem nicht statistisch signifikant). Nach wie vor übt knapp über die Hälfte aller Beschäftigten Tätigkeiten aus, die sich nicht für die Arbeit von zu Hause aus eignen – zum Beispiel Kassiererinnen, Pflegepersonal und Bauarbeiter.
Etwa 4 Prozent der Tätigkeiten hätten im Februar 2021 auch im Homeoffice ausgeübt werden können, wenn nicht die technischen Voraussetzungen dafür gefehlt hätten. Dieser Anteil ist seit August 2020 nur leicht zurückgegangen. Diejenigen fehlenden technischen Voraussetzungen, die kurzfristig behoben werden konnten – etwa wenn nur ein Smartphone angeschafft werden musste – waren schon am Ende der Frühphase der Pandemie nur noch selten der Grund dafür, dass Homeoffice nicht genutzt wurde.
Vorbehalte von Arbeitgebern und Beschäftigten haben an Bedeutung verloren
Auch wenn sich ihre Tätigkeit eignet und die technischen Voraussetzungen gegeben sind, wechseln viele Beschäftigte nicht ins Homeoffice. Denn auf beiden Seiten bestehen diesbezüglich noch Vorbehalte. Hier liegt das größte kurzfristig nutzbare Potenzial, denn Vorbehalte lassen sich zumindest theoretisch schnell ausräumen. Das ist zu Beginn der Pandemie auch vielerorts geschehen, wenn auch oftmals nur temporär (ausführlichere Analysen zu dieser Thematik finden Sie in einem 2020 erschienen Beitrag von Nils Backhaus und anderen, einem 2021 erschienenen Beitrag von Anja-Kerstin Abendroth und Koautoren sowie im IAB-Kurzbericht 05/2021). Mittlerweile hat die Bundesregierung in der Corona-Arbeitsschutzverordnung vom 27. Januar 2021 die Betriebe verpflichtet, ihren Beschäftigten bei geeigneten Tätigkeiten Homeoffice anzubieten – aktuell gültig bis 30. Juni 2021. Eine Ausnahme besteht, wenn zwingende betriebsbedingte Gründe dem entgegenstehen. Die Verordnung dürfte einen gewissen Effekt auf das kurzfristig nutzbare Potenzial gehabt haben, sofern es um die Vorbehalte aufseiten der Betriebe geht. Der Anteil der Beschäftigten, die deswegen nicht ins Homeoffice wechselten, ist seitdem von etwa 4 auf etwa 3 Prozent gesunken. Allerdings wurde die Verordnung erst Ende Januar 2021 beschlossen. Daher ist unklar, ob hier auch die Diskussion im Vorfeld der Verordnung eine Rolle gespielt hat, oder ob sich damit lediglich der Trend der Vormonate fortgesetzt hat.
Weitere Hindernisse ergeben sich vor allem aus Vorbehalten der Beschäftigten. Dies betraf im August 2020 – genau wie die fehlende Erlaubnis vonseiten der Arbeitgeber – 8 Prozent der Tätigkeiten. Bis Februar 2021 sank der Anteil der Beschäftigten, die Vorbehalte haben, zwar auf knapp 5 Prozent. Damit scheinen die Vorbehalte der Beschäftigten gegenüber Homeoffice mittlerweile dennoch schwerer zu wiegen als etwaige Bedenken der Arbeitgeber (Stand Februar: 3 %). Auch hier könnte sich die intensive Debatte um Homeoffice als Arbeitsschutzmaßnahme bereits in den Wochen und Monaten vor Inkrafttreten der Verordnung ausgewirkt haben.
Fazit
Mit der beginnenden zweiten Infektionswelle im Spätherbst 2020 nahm der Druck zu, Homeoffice noch stärker zu nutzen. Der entsprechende Beschäftigtenanteil stieg denn auch zwischen August 2020 und Februar 2021 von 25 auf 36 Prozent. Während sich bei dem nicht nutzbaren Potenzial sowie dem mittelfristig nutzbaren Potenzial – zum Beispiel beim Ausbau technischer Voraussetzungen – wenig getan hat, verloren die Vorbehalte aufseiten der Arbeitgeber stark an Bedeutung. Für die persönlichen Vorbehalte der Beschäftigten gilt dies in geringerem Maße.
Daten
Für diesen Beitrag verwenden wir Daten des hochfrequenten Online-Personen-Panels (HOPP) aus der IAB-Befragung „Leben und Erwerbstätigkeit in Zeiten von Corona“. Seit Mai 2020 werden hier Personen im Rahmen einer Online-Panelbefragung (mit Auffrischungsstichproben) zu verschiedenen Aspekten Ihres Alltags während der Pandemie befragt. Es lassen sich repräsentative Aussagen für die erwerbsfähige Bevölkerung in Deutschland treffen. Ausgenommen sind dabei Personen, die einer selbstständigen Beschäftigung nachgehen oder verbeamtet sind. Weitere Informationen zum Aufbau der HOPP-Studie finden sich in Haas et al (im Erscheinen). Insgesamt wurden bislang sieben Befragungswellen durchgeführt. Für diesen Beitrag wurden die Daten aus den Befragungswellen vier (August) bis sieben (Januar/Februar) aufgrund ihrer Homeoffice-Schwerpunkte verwendet. Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht, wie die verschiedenen Homeoffice-Potenziale operationalisiert werden:
Literatur
Abendroth, Anja-Kerstin; Lott, Yvonne; Hipp, Lena; Müller, Dana und Carstensen, Tanja (2021): Has the COVID-19 pandemic reduced cultural barriers to the use of telework? Panel evidence from Germany, zuletzt abgerufen am 14.05.2021.
Backhaus, Nils; Tisch, Anita; Kagerl, Christian; Pohlan, Laura (2020): Arbeit von zuhause in der Corona-Krise: Wie geht es weiter?. In: baua: Bericht kompakt, 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
Frodermann, Corinna; Grunau, Philipp; Haas, Georg-Christoph; Müller, Dana (2021): Homeoffice in Zeiten von Corona: Nutzung, Hindernisse und Zukunftswünsche, IAB-Kurzbericht Nr. 5.
Haas, Georg-Christoph; Müller, Bettina; Osiander, Christopher; Schmidtke, Julia; Trahms, Annette; Volkert, Marieke; Zins, Stefan (2021): Development of a New COVID-19 Panel Survey: The IAB High-frequency Online Personal Panel (HOPP), Journal for Labour Market Research, Vol. 55, No. 16.
Grunau, Philipp; Haas, Georg-Christoph (2021): Homeoffice in der Corona-Krise: Vorbehalte haben abgenommen, In: IAB-Forum 14. Juni 2021, https://www.iab-forum.de/homeoffice-in-der-corona-krise-vorbehalte-haben-abgenommen/, Abrufdatum: 17. November 2024
Autoren:
- Philipp Grunau
- Georg-Christoph Haas