18. September 2019 | Serie „Zukunft der Grundsicherung“
Leistungsberechtigte mit gesundheitlichen Einschränkungen: Nicht jeder ist erwerbsfähig
Mark Trappmann , Philipp Ramos Lobato , Stefanie Unger , Torsten Lietzmann
In Politik und Öffentlichkeit wird aktuell wieder intensiv über die Grundsicherung für Arbeitsuchende, kodifiziert im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), und deren künftige Ausrichtung diskutiert. Neben radikalen Alternativen zur derzeitigen Ausgestaltung der sozialen Sicherung bei Hilfebedürftigkeit, darunter die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, steht eine Reihe konkreter Reformvorschläge zur Diskussion (lesen Sie hierzu auch den Beitrag „Revolution oder Evolution – Hartz IV steht erneut auf dem Prüfstand“ von Ulrich Walwei im IAB-Forum).
Ob die Abschaffung weitreichender Sanktionen, die Erhöhung des Schonvermögens oder die Ausweitung öffentlich geförderter Beschäftigung: Gemeinsam ist den diskutierten Vorschlägen, dass sie helfen sollen, die Lage der Leistungsempfängerinnen und -empfänger zu verbessern und ihre Chancen auf eine Überwindung des Leistungsbezugs zu erhöhen.
Weitgehend unbeachtet ist hingegen die Situation jener Leistungsberechtigter geblieben, deren Arbeits- und Leistungsfähigkeit aufgrund gesundheitlicher Probleme derart stark eingeschränkt ist, dass Zweifel an ihrer Erwerbsfähigkeit bestehen. Für diesen Personenkreis dürfte selbst eine öffentlich geförderte Erwerbstätigkeit, wie sie die jüngst eingeführte Beschäftigungsmaßnahme für besonders arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose bietet („Teilhabe am Arbeitsmarkt“, §16i SGB II), nicht infrage kommen.
Stattdessen werden diese Personen trotz anderslautender Einschätzung der Rentenversicherung von der Bundesagentur für Arbeit (BA) faktisch als nicht erwerbsfähig eingestuft. Nach Auskunft von Integrationsfachkräften, die im Rahmen einer IAB-Studie befragt wurden, werden die Betroffenen „teilweise aus den Beratungs- und Förderbemühungen herausgenommen“ (die Ergebnisse dieser Studie wurden im IAB-Forschungsbericht 14/2017 publiziert). Dies wirft die Frage auf, ob das SGB II der Situation von Leistungsberechtigten mit stark eingeschränkter Erwerbsfähigkeit und ihrem spezifischen Unterstützungsbedarf überhaupt gerecht werden kann.
Belastbare Erkenntnisse zur Größenordnung dieses Personenkreises liegen bislang nicht vor
Zunächst soll jedoch in einem ersten Schritt das ungefähre Ausmaß dieses Phänomens skizziert werden. Denn bislang fehlt es an belastbaren Erkenntnissen zur Größenordnung dieser Personengruppe. Zwar identifizieren Studien zu Bezugsverläufen eine beträchtliche Anzahl an mehrheitlich älteren Personen mit langem Leistungsbezug und geringen Arbeitsmarktaktivitäten. Beispielhaft sei hier auf den Beitrag „Leistungsempfänger und Bezugsverläufe in der Grundsicherung sind sehr heterogen“ von Kerstin Bruckmeier, Katrin Hohmeyer und Torsten Lietzmann im IAB-Forum verwiesen. Diese Studien können aber keine Aussagen zum Gesundheitszustand dieser Personen machen.
Im Folgenden wird daher die Zahl der Leistungsberechtigten, die zwar formal erwerbsfähig, dies aber faktisch nicht (oder nur sehr eingeschränkt) sind, anhand von Selbsteinschätzungen des eigenen Gesundheitszustandes näherungsweise bestimmt. Dabei werden auf Basis des „Panels Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS) auch die sozialstrukturellen Charakteristika dieses Personenkreises und ihre bisherige Förderung durch die Jobcenter beschrieben. Zuvor erfolgt jedoch ein kurzer Überblick über die aktuelle Rechtslage.
Erwerbsfähigkeit ist eine zentrale Voraussetzung für den Bezug von SGB-II-Leistungen
Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende richten sich an erwerbsfähige Personen und deren Haushaltsmitglieder, die im sozialrechtlichen Sinne hilfebedürftig sind, also ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Einkünften bestreiten können. Neben der Hilfebedürftigkeit ist die Erwerbsfähigkeit also eine der zentralen Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II.
Als erwerbsfähig gilt, „wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein“ (§ 8 Abs. 1 SGB II). Im Vergleich zu den Regelungen anderer europäischer Länder wurde die sozialrechtliche Definition im deutschen Sozialsystem bewusst niedrig angesetzt. Das geht aus einer Untersuchung des IAB hervor, die als IAB-Kurzbericht 8/2014 erschienen ist.
Der Gegenbegriff zur Erwerbsfähigkeit ist die volle Erwerbsminderung
Der Gegenbegriff zur Erwerbsfähigkeit ist die sogenannte volle Erwerbsminderung. Sie liegt dann vor, wenn eine Person aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Geregelt ist dies im SGB VI „Gesetzliche Rentenversicherung“.
Die Feststellung der vollen Erwerbsminderung obliegt der Deutschen Rentenversicherung, die sich dazu auf ärztliche Gutachten stützt. Wird eine solche Minderung festgestellt, kann Rente wegen Erwerbsminderung auch gewährt werden, wenn das Eintrittsalter für den Anspruch auf eine reguläre gesetzliche Rente noch nicht erreicht ist. Eine weitere Voraussetzung ist, dass „in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung“ (§ 43 SGB VI) abgeführt wurden.
Wenn die Erwerbsminderungsrente nicht zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums ausreicht, kann diese mit Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung, geregelt im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), aufgestockt werden (§ 41 Abs. 3 SGB XII).
Sind die rentenrechtlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Pflichtbeiträge für eine Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt, können bei temporärer oder dauerhafter Erwerbsminderung ebenfalls Leistungen des SGB XII bezogen werden: bei einer dauerhaften Erwerbsminderung die Grundsicherung bei Erwerbsminderung (Kap. 4 SGB XII) oder bei einer Erwerbsminderung auf Zeit (mindestens sechs Monate) Hilfe zum Lebensunterhalt (Kap. 3 SGB XII). Voraussetzung hierfür ist, dass die gesundheitliche Einschränkung von der Rentenversicherung festgestellt wird.
Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, bleibt im Falle der Hilfebedürftigkeit nach derzeitiger Rechtslage nur der Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Der ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit kann in solchen Fällen lediglich die Antragstellung bei der Rentenversicherung veranlassen. Für die Feststellung der Erwerbsminderung ist dann allein die Entscheidung der Rentenversicherung ausschlaggebend.
Die Zahl der betroffenen Personen lässt sich nur grob abschätzen
Die Größe und Zusammensetzung der Gruppe von Leistungsberechtigten, die formal als erwerbsfähig gelten, faktisch aber nicht erwerbsfähig sind, lässt sich nicht ohne Weiteres und auch nicht exakt bestimmen. Allerdings lässt sich die Größenordnung zumindest näherungsweise eingrenzen. Zu diesem Zweck bietet es sich an, schrittweise vorzugehen (siehe Tabelle 1).
Den Ausgangspunkt bilden Personen im erwerbsfähigen Alter, die zum Zeitpunkt der Befragung im Jahr 2016 auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende angewiesen waren. Wie Daten des PASS ausweisen, waren dies insgesamt 4,3 Millionen Personen. Davon gaben 3,3 Millionen bereits im Vorjahr an, Grundsicherungsleistungen zu beziehen. Von diesen 3,3 Millionen waren hochgerechnet 399.000 Personen nach eigener Aussage im Jahr 2016 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, eine Beschäftigung aufzunehmen; 213.000 Personen aus dieser Gruppe hatten dies schon im Jahr zuvor angegeben.
Von diesen 213.000 Personen waren wiederum 203.000 Personen seit zwei Jahren nicht erwerbstätig. Zieht man von den Letzteren diejenigen ab, die im Jahr 2016 laut Selbstauskunft bereits eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen haben, verbleibt eine Gruppe von 184.000 Leistungsberechtigten, die formal als erwerbsfähig gelten, faktisch aber seit zwei Jahren nicht mehr erwerbstätig waren und zwei Jahre hintereinander angaben, aus gesundheitlichen Gründen keine Beschäftigung ausüben zu können.
Es dürfte unrealistisch sein, dass ein nennenswerter Teil dieses Personenkreises zumindest in der näheren Zukunft unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts eine Beschäftigung findet. Da die Größe dieser Gruppe auf Basis einer Stichprobenerhebung ermittelt wurde, ist sie mit einer gewissen Unsicherheit behaftet (der hochgerechnete Wert beruht auf Interviews mit 120 Personen). Das sogenannte 90-Prozent-Konfidenzintervall gibt Aufschluss über das Ausmaß der Unsicherheit. Demnach umfasst die betreffende Gruppe gerundet zwischen 129.000 und 239.000 Leistungsberechtigte.
Unter den faktisch nicht erwerbsfähigen Personen sind mehrheitlich Alleinstehende
Die Gruppe der faktisch nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von anderen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die ebenfalls nicht erwerbstätig sind, aber keine vergleichbaren gesundheitlichen Arbeitseinschränkungen angeben (siehe Tabelle 2).
Der Anteil älterer Personen ist erwartungsgemäß deutlich höher: Etwa 36 Prozent sind 55 Jahre alt oder älter (Vergleichsgruppe: 18 %). Personen unter 34 Jahren kommen dagegen mit 8 Prozent selten vor (Vergleichsgruppe: 43 %). Zudem sind 64 Prozent Frauen (Vergleichsgruppe: 47 %). Sehr auffällig ist auch der hohe Anteil Alleinstehender von 73 Prozent (Vergleichsgruppe: 48 %), während Haushalte mit Kindern vermutlich auch aufgrund der Altersstruktur mit 9 Prozent deutlich unterrepräsentiert sind (Vergleichsgruppe: 31 %).
Bemerkenswert ist weiterhin, dass die überwältigende Mehrheit von 97 Prozent ihren Erwerbsstatus mit „arbeitslos gemeldet“ angibt – trotz der ungünstigen Beschäftigungsaussichten, die sich aus der Selbsteinschätzung des eigenen Gesundheitszustandes sowie deren jüngerer Arbeitsmarkthistorie ergeben. Nur jeweils ein Prozent bezeichnet sich als Hausfrau/Hausmann oder krank (nicht in Tabelle ausgewiesen).
Die Jobcenter beziehen nicht beschäftigungsfähige Personen kaum in die arbeitsmarktbezogene Förderung ein
Trotz dieser Selbsteinstufung legen die Angaben der Leistungsberechtigten, die faktisch nicht erwerbsfähig sind, nahe, dass die Jobcenter sie kaum in die arbeitsmarktbezogene Aktivierung beziehungsweise Förderung einbeziehen (siehe Tabelle 3). Zwar haben 87 Prozent dieser Leistungsberechtigten nach eigenen Angaben im Jahr vor der Befragung mindestens einmal, in 70 Prozent der Fälle mindestens zweimal einen Termin im Jobcenter wahrgenommen. Aber nur 3 Prozent berichten, dass das Jobcenter von ihnen verlangt hat, nach einer Arbeitsstelle zu suchen. Und nur gut 6 Prozent geben an, dass sie seitens des Jobcenters konkrete Vermittlungs- und Förderangebote wie Vermittlungsvorschläge für geringfügige oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, Vermittlungsgutscheine, Übernahme von Bewerbungskosten oder berufliche Weiterbildung erhalten haben.
Entsprechend gering fällt die tatsächliche Beteiligung an arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahmen aus. Wie aus Daten der BA hervorgeht, beläuft sich der Anteil derjenigen, die im abgelaufenen Jahr an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teilgenommen haben, auf 6 Prozent. Allerdings sind Maßnahmen der beruflichen oder medizinischen Rehabilitation sowie sogenannte sozialintegrative Leistungen, die im kommunalen Verantwortungsbereich angesiedelt sind, in diesen Daten nicht erfasst.
Korrespondierend zu dem geringen Anteil an arbeitsmarktpolitischer Förderung geben mit 6 Prozent entsprechend wenige Personen aus dem Kreis der faktisch nicht Erwerbsfähigen an, dass das Jobcenter im abgelaufenen Jahr Forderungen wie Nachweise über Suchbemühungen, die Teilnahme an Maßnahmen oder die Aufnahme von Tätigkeiten an sie gestellt hat.
Fazit
Zusammengenommen deuten diese Angaben darauf hin, dass es innerhalb der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine Bandbreite von 129.000 bis 239.000 Personen gibt, die von den Jobcentern zwar als erwerbsfähige Leistungsberechtigte geführt werden und überwiegend als arbeitslos eingestuft sind, nach eigener Einschätzung aber gesundheitlich nicht dazu in der Lage sind, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Betroffenen nehmen zwar regelmäßig Termine im Jobcenter wahr, verschwinden also nicht gänzlich vom Radar der Integrationsfachkräfte, werden aber kaum zur Arbeitsuche verpflichtet oder mit Fördermaßnahmen bei der Arbeitsaufnahme unterstützt.
Angesichts der gesundheitlichen Arbeitseinschränkungen, von denen die Befragten berichten, ist das Vorgehen der Jobcenter durchaus nachvollziehbar. Denn wer zu krank ist, um einer Beschäftigung nachzugehen, benötigt keine arbeitsmarktpolitische Förderung. Zumindest so lange nicht, wie die gesundheitlichen Beschwerden einer Beschäftigungsaufnahme entgegenstehen.
Für die in diesem Beitrag abgegrenzte Gruppe von faktisch nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten bleibt daher abzuwarten oder in weiteren Analysen zu prüfen, ob deren gesundheitliche Einschränkungen andauern und der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch künftig entgegenstehen.
Ungeachtet dessen kann die vorliegende Analyse nicht die durchaus anspruchsvolle Aufgabe der Integrationsfachkräfte ersetzen, zu beurteilen, inwieweit die Betroffenen zumindest perspektivisch wieder eine Arbeit aufnehmen könnten. Möglicherweise werden sozialintegrative Maßnahmen zur schrittweisen Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit durchgeführt, eine berufliche Rehabilitation eingeleitet oder der Prozess zur Feststellung der Erwerbsminderung angestoßen. Über diese Aktivitäten geben die hier verwendeten Daten keine Auskunft.
Gleichwohl werfen die Befunde eine Reihe von Fragen auf: Wird das SGB II diesem Personenkreis und ihrem spezifischen Unterstützungsbedarf gerecht? Oder wäre es dafür notwendig, die vorhandenen Fördermöglichkeiten im Bereich der beruflichen Rehabilitation und der allgemeinen Gesundheitsförderung zu stärken? Müsste dazu die Zusammenarbeit mit anderen sozialstaatlichen Akteuren, etwa den Kommunen oder den zuständigen Rehabilitationsträgern, ausgebaut werden? Sind die Betroffenen auch bereit, auf Anraten des Jobcenters einen Arzt zu konsultieren oder sich einer Therapie zu unterziehen? Und wie lässt sich die dafür notwendige Vertrauensbasis schaffen?
Auf derart grundlegende Fragen gibt es erwartungsgemäß keine einfachen Antworten. Schließlich gilt es, dafür nicht nur den Perspektiven und Interessen der Betroffenen, sondern auch den verschiedenen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Akteuren, nicht zuletzt der BA, den Kommunen sowie der Deutschen Rentenversicherung, angemessen Rechnung zu tragen. Das muss auch politisch diskutiert werden. Die aktuell geführte Debatte um die zukünftige (Neu-)Ausrichtung der Grundsicherung wäre der geeignete Rahmen.
Daten und Methoden
Um Ausmaß und Struktur der Gruppe von Leistungsberechtigten zu bestimmen, die formal als erwerbsfähig gilt, dies faktisch aber nicht ist, werden Daten der 9. und 10. Welle (2015-2016) des „Panels Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS), verknüpft mit den Integrierten Erwerbsbiografien und der Leistungshistorik Grundsicherung des IAB, ausgewertet. Bei PASS (Trappmann et al. 2019) handelt es sich um eine jährliche Panelbefragung der allgemeinen Bevölkerung, in der Leistungsberechtigte der Grundsicherung für Arbeitsuchende stark überrepräsentiert sind.
Im Rahmen der Befragung wird unter anderem die für die vorliegende Analyse maßgebliche Selbsteinschätzung des eigenen gesundheitlichen Zustands erhoben. Darüber hinaus werden Angaben zu den Kontakten mit dem Jobcenter erfragt. Hierbei wird nicht nur nach der Zahl der Besuche im Jobcenter gefragt, sondern auch nach dessen Forderungen (etwa hinsichtlich der Arbeitsuche) und gewährten Unterstützungsleistungen. Aus den zugespielten Prozessdaten können Zeiten in Beschäftigung und in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ermittelt werden.
Um auszuschließen, dass bloß temporär erkrankte Personen fälschlicherweise der Gruppe der faktisch nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zugerechnet werden, konzentriert sich die Analyse auf Personen, die sowohl in Welle 9 als auch in Welle 10 angeben, aus gesundheitlichen Gründen keine Beschäftigung aufnehmen zu können und in dem betreffenden Zeitraum auch tatsächlich nicht erwerbstätig waren – auch nicht im Rahmen eines sogenannten Mini-Jobs. Wir stützen uns dabei auf Interviews von 1.644 Teilnehmern von PASS mit Grundsicherungsbezug in den Wellen 9 und 10, deren Angaben aus PASS mit Daten der Leistungshistorik Grundsicherung verknüpft werden konnten.
Da es sich um eine Stichprobenerhebung handelt, sind alle Auswertungen mit einem quantifizierbaren Ausmaß an Unsicherheit versehen. Um dem Rechnung zu tragen, wird an einigen Stellen das 90-Prozent-Konfidenzintervall angegeben. Dieses ist so gebildet, dass es in 90 von 100 Stichproben den wahren Wert enthält.
Literatur
Um Ausmaß und Struktur der Gruppe von Leistungsberechtigten zu bestimmen, die formal als erwerbsfähig gilt, dies faktisch aber nicht ist, werden Daten der 9. und 10. Welle (2015-2016) des „Panels Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS), verknüpft mit den Integrierten Erwerbsbiografien und der Leistungshistorik Grundsicherung des IAB, ausgewertet. Bei PASS (Trappmann et al. 2019) handelt es sich um eine jährliche Panelbefragung der allgemeinen Bevölkerung, in der Leistungsberechtigte der Grundsicherung für Arbeitsuchende stark überrepräsentiert sind.
Im Rahmen der Befragung wird unter anderem die für die vorliegende Analyse maßgebliche Selbsteinschätzung des eigenen gesundheitlichen Zustands erhoben. Darüber hinaus werden Angaben zu den Kontakten mit dem Jobcenter erfragt. Hierbei wird nicht nur nach der Zahl der Besuche im Jobcenter gefragt, sondern auch nach dessen Forderungen (etwa hinsichtlich der Arbeitsuche) und gewährten Unterstützungsleistungen. Aus den zugespielten Prozessdaten können Zeiten in Beschäftigung und in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ermittelt werden.
Um auszuschließen, dass bloß temporär erkrankte Personen fälschlicherweise der Gruppe der faktisch nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zugerechnet werden, konzentriert sich die Analyse auf Personen, die sowohl in Welle 9 als auch in Welle 10 angeben, aus gesundheitlichen Gründen keine Beschäftigung aufnehmen zu können und in dem betreffenden Zeitraum auch tatsächlich nicht erwerbstätig waren – auch nicht im Rahmen eines sogenannten Mini-Jobs. Wir stützen uns dabei auf Interviews von 1.644 Teilnehmern von PASS mit Grundsicherungsbezug in den Wellen 9 und 10, deren Angaben aus PASS mit Daten der Leistungshistorik Grundsicherung verknüpft werden konnten.
Da es sich um eine Stichprobenerhebung handelt, sind alle Auswertungen mit einem quantifizierbaren Ausmaß an Unsicherheit versehen. Um dem Rechnung zu tragen, wird an einigen Stellen das 90-Prozent-Konfidenzintervall angegeben. Dieses ist so gebildet, dass es in 90 von 100 Stichproben den wahren Wert enthält.
Bruckmeier, Kerstin; Hohmeyer, Katrin; Lietzmann, Torsten (2019): Leistungsempfänger und Bezugsverläufe in der Grundsicherung sind sehr heterogen. In: IAB-Forum, 23.04.2019.
Konle-Seidl, Regina; Rhein, Thomas; Trübswetter, Parvati (2014): Arbeitsmärkte im europäischen Vergleich: Erwerbslose und Inaktive in verschiedenen Sozialsystemen. IAB-Kurzbericht Nr. 8.
Oschmiansky, Frank; Popp, Sandra; Riedel-Heller, Steffi; Schwarzbach, Michaela; Gühne, Uta; Kupka, Peter (2017): Psychisch Kranke im SGB II: Situation und Betreuung. IAB-Forschungsbericht Nr. 14.
Trappmann, Mark; Bähr, Sebastian; Beste, Jonas; Eberl, Andreas; Frodermann, Corinna; Gundert, Stefanie; Schwarz, Stefan; Teichler, Nils; Unger, Stefanie; Wenzig, Claudia (2019): Data Resource Profile: Panel Study Labour Market and Social Security (PASS). In: International Journal of Epidemiology, online first.
Trappmann, Mark; Ramos Lobato, Philipp; Unger, Stefanie; Lietzmann, Torsten (2019): Leistungsberechtigte mit gesundheitlichen Einschränkungen: Nicht jeder ist erwerbsfähig, In: IAB-Forum 18. September 2019, https://www.iab-forum.de/leistungsberechtigte-mit-gesundheitlichen-einschraenkungen-nicht-jeder-ist-erwerbsfaehig/, Abrufdatum: 19. November 2024
Autoren:
- Mark Trappmann
- Philipp Ramos Lobato
- Stefanie Unger
- Torsten Lietzmann