Kurzarbeit, angewiesener Urlaub und Freistellungen aufgrund der Covid-19-Pandemie haben im ersten Lockdown nicht zu einer verstärkten Weiterbildungsbeteiligung geführt. Dies gilt auch und gerade für die berufliche Weiterbildung. Tatsächlich bildeten sich Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit pandemiebedingt reduziert hatten, sogar seltener beruflich weiter als andere Beschäftigte. Besonders bemerkenswert: Die geringere Weiterbildungsbeteiligung ist überwiegend auf Beschäftigte mit Universitätsabschluss zurückzuführen – und damit auf eine Personengruppe, die prinzipiell als sehr weiterbildungsaffin gilt.

In der Covid-19-Pandemie waren zahlreiche Beschäftigte oft monatelang von Kurzarbeit betroffen (lesen Sie dazu auch einen 2020 erschienenen Beitrag von Thomas Kruppe und Christopher Osiander im IAB-Forum). Gleichzeitig hat die Pandemie zu einem Digitalisierungsschub geführt, da viele Menschen innerhalb kürzester Zeit ins Homeoffice wechselten (eine ausführliche Analyse finden Sie in einem 2021 publizierten Beitrag von Philipp Grunau und Georg-Christoph Haas im IAB-Forum). Auch Weiterbildung wurde verstärkt in den digitalen Raum verlagert.

Dies wirft die Frage auf, ob Beschäftigte in Kurzarbeit die dadurch gewonnene Zeit genutzt haben, um sich digital weiterzubilden – sei es beruflich oder privat. Dafür hätte sich insbesondere die digitale informelle Weiterbildung prinzipiell sehr gut angeboten. Informelle Online-Medien wie Wikis, Online-Foren, Podcasts oder YouTube-Videos sind niedrigschwellig und lassen sich ohne größeren Kosten- und Planungsaufwand jederzeit nutzen.

26 Prozent der Befragten nutzten während des Lockdowns Online-Medien zur informellen Weiterbildung

Inwieweit sich Beschäftigte während des Lockdowns im Frühjahr 2020 weitergebildet haben, zeigt eine Sondererhebung des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zur Covid-19-Pandemie (NEPS-C). Demnach haben circa 26 Prozent der befragten Beschäftigten Online-Medien genutzt, um sich in dieser Zeit beruflich oder privat weiterzubilden. Davon wiederum gaben 64 Prozent an, dass diese Weiterbildung ganz oder teilweise zu beruflichen Zwecken erfolgte (weiterführende Analysen finden sich in einem 2021 veröffentlichten Artikel von Corinna Kleinert und anderen).

Allerdings gibt es keine Hinweise dafür, dass Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit pandemiebedingt reduziert haben (circa 22 Prozent der Befragten), sich verstärkt im Internet weitergebildet haben. Betrachtet man ausschließlich die berufliche Weiterbildungsbeteiligung, zeigt sich sogar ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen der pandemiebedingten Arbeitszeitreduktion und der digitalen Weiterbildungsbeteiligung von Beschäftigten. Denn die Weiterbildungsbeteiligung von Beschäftigten, die ihre Arbeitszeit aufgrund der Corona-Krise reduziert haben, lag um rund 5 Prozent niedriger als die Weiterbildungsbeteiligung anderer Beschäftigter.

Dieser zunächst überraschende Befund scheint vor allem auf diejenigen zuzutreffen, die in Kurzarbeit waren. Dennoch lässt sich aus diesen Daten nicht zwingend schließen, dass Kurzarbeit einen kausalen negativen Einfluss auf die Weiterbildungsbeteiligung hat. So wäre denkbar, dass Beschäftigte in Kurzarbeit generell weniger an Weiterbildung teilnehmen, weil hier überproportional häufig Menschen mit niedrigerem beruflichen Abschluss vertreten sind.

Bei Beschäftigten mit Universitätsabschluss sank die Weiterbildungsbeteiligung im Fall pandemiebedingter Arbeitszeitreduktion deutlich

Tatsächlich haben Beschäftigte ohne Universitätsabschluss ihre Arbeitszeit pandemiebedingt etwas häufiger reduziert als solche mit Universitätsabschluss. Insbesondere bei der Kurzarbeit zeigen sich hier Unterschiede: So gaben ungefähr 14 Prozent der Beschäftigten ohne Universitätsabschluss im Frühjahr 2020 an, in Kurzarbeit zu sein, während es unter den Beschäftigten mit Universitätsabschluss ungefähr 9 Prozent waren.

Doch gerade bei Letzteren ging die pandemiebedingte Arbeitszeitreduktion mit einem deutlichen Rückgang der digitalen beruflichen Weiterbildung einher. So haben sich nach eigenen Angaben ungefähr 28 Prozent der Beschäftigten mit Universitätsabschluss, die ihre Arbeitszeit trotz Pandemie nicht verringern mussten, beruflich weitergebildet. Bei denjenigen mit pandemiebedingter Arbeitszeitreduktion waren es dagegen 19 Prozent. Zum Vergleich: Bei den Beschäftigten ohne Universitätsabschluss fällt diese Lücke sehr viel geringer aus. In dieser Gruppe haben sich rund 10 Prozent entsprechend weitergebildet – weitestgehend unabhängig davon, ob sie ihre Arbeitszeit pandemiebedingt verringert haben oder nicht.

Die Ergebnisse legen also nahe, dass sich Beschäftigte mit Universitätsabschluss vor allem am Arbeitsplatz weiterbilden. Verbringen sie aufgrund der Corona-Krise weniger Zeit am betrieblichen oder häuslichen Arbeitsplatz, bilden sie sich auch seltener weiter. Personen ohne Universitätsabschluss bilden sich hingegen generell seltener weiter. Für ihre Weiterbildungsbeteiligung macht es keinen Unterschied, ob sie wegen der Corona-Krise ihre Arbeitszeit reduziert haben oder nicht.

Die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der digitalen Weiterbildung sind eher gering

Einige neuere Veröffentlichungen legen nahe, dass die pandemiebedingten Lockdowns vor allem bei Frauen zu einer Mehrbelastung durch Kinderbetreuung und Homeschooling geführt haben. Zu diesem Ergebnis kommt beispielsweise eine 2020 publizierte Studie von Gundula Zoch und Koautorinnen. Dies könnte zunächst zur Vermutung Anlass geben, dass Frauen ihre Weiterbildungsbeteiligung pandemiebedingt stärker verringern mussten als Männer. Männer könnten demnach die zusätzliche Zeit, die sie aufgrund von Kurzarbeit und Freistellung gewonnen haben, eher für ihre private und berufliche Weiterbildung nutzen als Frauen, weil sich diese aufgrund der Schließung von Kitas und Schulen verstärkt um die Kinder kümmern.

Empirisch lässt sich diese Vermutung indes nicht bestätigen. Bei der Beteiligung an digitaler Weiterbildung sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede eher gering: In beiden Gruppen haben sich ungefähr 18 Prozent der Befragten im Frühjahr 2020 digital beruflich weitergebildet. Diese Anteile waren deutlich niedriger, wenn die Befragten ihre Arbeitszeit in Zeiten der Pandemie verringert haben. Bei den Männern mit pandemiebedingt reduzierter Arbeitszeit lag der Anteil um rund 6 Prozentpunkte, bei den Frauen um etwa 4 Prozentpunkte niedriger. Bei Letzteren ist der Unterschied zudem nicht statistisch signifikant.

Mit anderen Worten: Der negative Zusammenhang zwischen pandemiebedingter Arbeitszeitreduktion und digitaler beruflicher Weiterbildung kommt nicht primär durch die familiäre Mehrbelastung während der Pandemie zustande. Denn Männer waren davon nicht stärker betroffen als Frauen, haben ihre Weiterbildungsaktivitäten während der pandemiebedingten Auszeiten aber sogar etwas häufiger gedrosselt als diese.

Fazit

Beschäftigte, die aufgrund der Covid-19-Pandemie ihre Arbeitszeit reduzieren mussten, haben sich nach eigenen Angaben keineswegs häufiger weitergebildet als Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit nicht verringern mussten. Im Gegenteil: Die Ergebnisse legen sogar einen negativen Zusammenhang zwischen der Weiterbildungsbeteiligung und der pandemiebedingten Arbeitszeitreduktion nahe. Hinzu kommt: Es waren vor allem Beschäftigte mit Universitätsabschluss, die ihre Weiterbildungsaktivitäten in Phasen pandemiebedingter Arbeitsunterbrechungen deutlich reduziert haben.

Auch wenn sich angesichts der Datenlage keine kausalen Aussagen treffen lassen, steht fest: Insbesondere in den Phasen pandemiebedingter Kurzarbeit wurde kaum in berufliche Weiterbildung investiert. Dies gilt im Übrigen nicht nur auf individueller Ebene für informelle Formen beruflicher Weiterbildung, sondern auch für die betrieblichen Aktivitäten. So ist nach Analysen des IAB Ende 2020 der Anteil der Betriebe, die während der Kurzarbeit die ausgefallene Arbeitszeit genutzt haben, um Beschäftigte weiterzubilden, mit 10 Prozent eher gering.

Dafür mag es im Einzelfall triftige Gründe geben (mit den Motiven für das fehlende Weiterbildungsengagement der Betriebe in Phasen von Kurzarbeit befasst sich ein 2020 erschienener Beitrag von Lutz Bellmann und anderen im IAB-Forum). Volks- und betriebswirtschaftlich dürfte dies eher problematisch sein, denn berufliche Weiterbildung ist gerade in Zeiten rapiden technologischen Wandels eine unabdingbare Voraussetzung für den wirtschaftlichen Wohlstand unseres Landes.

Damit blieb also in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Chance ungenutzt. Denn sowohl aufseiten der Beschäftigten als auch aufseiten der Betriebe hätte man den massiven Anstieg der Kurzarbeit in der Pandemie stärker dazu nutzen können, um die Erwerbsbevölkerung besser für die beruflichen Herausforderungen etwa durch die Digitalisierung zu qualifizieren, die just durch diese Pandemie einen enormen Schub erfahren hat. Daraus sollten Lehren für die nächste Krise gezogen werden, zumal berufliche Weiterbildung auch in wirtschaftlichen Boomphasen vielfach zu kurz kommt – dann nicht selten mit Verweis auf fehlende zeitliche Ressourcen.

Deutschland wird früher oder später erneut Wirtschaftskrisen erleben, in denen viele Beschäftigte zur Kurzarbeit gezwungen sein werden. Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften sollten schon jetzt gemeinschaftlich Konzepte erarbeiten, die sicherstellen, dass berufliche Weiterbildung in Zeiten von Kurzarbeit künftig nicht die Ausnahme bleibt, sondern ungeachtet der damit verbundenen organisatorischen Herausforderungen deutlich häufiger stattfindet. Aber auch die Beschäftigten selbst müssen Weiterbildung gerade in Krisenzeiten als notwendige Investition in die eigene berufliche Zukunft begreifen.

Daten

Die verwendeten Daten basieren auf einer kurzen Corona-Zusatzerhebung (NEPS_C) für die Befragten der Erwachsenenkohorte des Nationalen Bildungspanels (NEPS; vgl. Blossfeld und Roßbach, 2019) . Das NEPS wird vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi, Bamberg) in Kooperation mit einem deutschlandweiten Netzwerk durchgeführt. Die Corona-Zusatzerhebung wurde als Onlinebefragung (CAWI) zwischen dem 15. Mai und 22. Juni 2020 durchgeführt. Dabei wurden 1.799 Personen, die vor der Covid-19-Pandemie erwerbstätig waren, zu ihren Erfahrungen im ersten Lockdown befragt, unter anderem zu Änderungen in ihrer Erwerbstätigkeit (zum Beispiel durch Kurzarbeit) und zu informellem digitalen Lernen.

Die Befragung unterliegt einem Bildungsbias, sodass ungewichtet 40 Prozent der Befragten einen Universitätsabschluss innehaben. Die deskriptiven Statistiken beruhen auf ungewichteten Auswertungen, die Ergebnisse können daher nicht auf die Grundgesamtheit übertragen werden.

Literatur

Bauer, Anja; Weber, Enzo (2020): Covid-19: How much unemployment was caused by the shutdown in Germany? In: Applied Economics Letters, Vol. 28, No. 12, S. 1053–1058.

Blossfeld, Hans-Peter; Roßbach, Hans-Günther (Hrsg.) (2019): Education as a lifelong process: The German National Educational Panel Study (NEPS), Wiesbaden: Springer VS.

Bujard, Martin; Laß, Inga; Diabaté, Sabine; Sulak, Harun; Schneider, Norbert F. (2020): Eltern während der Corona-Krise. Zur Improvisation gezwungen, Wiesbaden: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. BiB.Bevölkerungs.Studien Nr. 1.

Grunau, Philipp; Haas, Georg-Christoph (2021): Homeoffice in der Corona-Krise: Vorbehalte haben abgenommen. In: IAB-Forum, 14.06.2021.

Kleinert, Corinna; Vicari, Basha; Zoch, Gundula; Ehlert, Martin (2021): Wer bildet sich in Pandemiezeiten beruflich weiter? Veränderungen in der Nutzung digitaler Lernangebote während der Corona-Krise. NEPS Corona & Bildung Nr. 7.

Kruppe, Thomas; Osiander, Christopher (2020): Kurzarbeit in der Corona-Krise: Wer ist wie stark betroffen. In: IAB-Forum, 30.06.2020.

NEPS-Netzwerk (2021): Nationales Bildungspanel, Scientific Use File der Startkohorte Erwachsene. Bamberg: Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi).

Zoch, Gundula; Bächmann, Ann-Christin; Vicari, Basha (2020): Kinderbetreuung in der Corona-Krise: Wer betreut, wenn Schulen und Kitas schließen? Wie der berufliche Alltag von erwerbstätigen Eltern die Kinderbetreuung während des Lockdowns beeinflusst hat. NEPS Corona & Bildung Nr. 3.

In aller Kürze

  • Seit der Covid-19-Pandemie arbeiten und lernen immer mehr Menschen virtuell. Rund ein Viertel aller befragten Beschäftigten hat während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 an digitaler informeller Weiterbildung teilgenommen.
  • Zugleich mussten viele Menschen wegen der Covid-19-Pandemie ihre Arbeitszeit reduzieren, sei es durch Kurzarbeit, den Abbau von Überstunden, angewiesenen Urlaub oder Freistellung von der Arbeit. Etwa ein Fünftel aller Befragten hat pandemiebedingt seine Arbeitszeit reduziert.
  • Die Betroffenen nutzten die pandemiebedingte Arbeitszeitreduktion jedoch nicht, um vermehrt an digitaler informeller Weiterbildung teilzunehmen. Betrachtet man nur berufliche Weiterbildung, so haben sich Beschäftigte mit pandemiebedingter Arbeitszeitverkürzung sogar seltener weitergebildet als andere Beschäftigte.
  • Beschäftigte mit Universitätsabschluss bilden sich generell häufiger weiter und waren seltener von pandemiebedingter Arbeitszeitreduktion betroffen als Beschäftigte ohne Universitätsabschluss. Allerdings haben gerade sie ihre Weiterbildungsaktivitäten besonders stark reduziert, wenn sie ihre Arbeitszeit pandemiebedingt herunterfahren mussten.
  • Männliche und weibliche Beschäftigte nehmen generell etwa gleich häufig an digitaler informeller Weiterbildung teil. Während sich Männer in Phasen pandemiebedingter Arbeitszeitreduktion jedoch seltener weitergebildet haben als Männer mit unveränderten Arbeitszeiten, unterscheiden sich Frauen diesbezüglich nicht.

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20220816.01

Friedrich, Teresa Sophie; Janssen, Simon; Laible , Marie-Christine (2022): Ungenutzte Chance: Digitale Weiterbildung im ersten Corona-Lockdown, In: IAB-Forum 16. August 2022, https://www.iab-forum.de/ungenutzte-chance-digitale-weiterbildung-im-ersten-corona-lockdown/, Abrufdatum: 17. November 2024