13. März 2025 | Interviews
US-Zollkonflikt: „Auch den USA werden die höheren Zölle schaden“


Dr. Ignat Stepanok ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“ und leitet die Arbeitsgruppe „Krisenfolgen“ am IAB.
Aktuell sehe ich tatsächlich zwei Probleme. Das erste sind die Zölle an sich. Zurzeit haben die von Präsident Trump eingeführten Zölle vor allem China im Fokus: Zusätzliche 20 Prozent werden auf Produkte erhoben, die von dort in die USA importiert werden. China hat daraufhin ebenfalls mit Gegenzöllen reagiert. Zusätzlich hat der Präsident neue Zölle für Aluminium und Stahl angekündigt, die ab März alle US-Partner betreffen werden. Den größeren Schaden für die europäische und die deutsche Wirtschaft sehe ich allerdings bei den möglichen Autozöllen, die für April angekündigt wurden.
Und das zweite Problem?
Das ist die große Unsicherheit. Zum einen ist es nicht klar, ob und welche Zölle tatsächlich eingeführt und bleiben werden, oder ob zwischen den Regierungen doch noch ein Deal im letzten Moment verhandelt wird. Zum anderen befürchten viele, dass sie sich nicht auf die existierenden Regeln und Abkommen verlassen können. So hat Präsident Trump das United-States-Mexico-Canada-Agreement USMCA in seiner letzten Amtszeit selbst unterzeichnet, um das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA abzulösen. Mit seinen Ankündigungen, 25 Prozent Zölle auf alle Waren aus Mexico und Kanada erheben zu wollen, würde er dieses Abkommen demontieren. Diese Pläne wurden nun allerdings schon zwei Mal verschoben.
Welche Auswirkungen hat diese Unsicherheit auf den globalen Handel?
Allgemein bremst jede Form von Unsicherheit Investitionen und damit das Wirtschaftswachstum. Es ist allerdings entscheidend, wie lange diese Unsicherheit anhält. Zurzeit ist sie sehr hoch. Es kann aber sein, dass es bald mehr Klarheit gibt – und die Zölle doch nicht so umfassend ausfallen werden. Das hoffe ich zumindest. Investitionen und Wachstum sind langfristige Effekte. Die Folgen der aktuellen politischen Entscheidungen werden wir deshalb erst später sehen können.
Höhere Zölle auf Zwischenprodukte und Kapitalgüter werden sich negativ auf die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit von US-Produzenten auswirken
Handelsökonomen halten es ja meist für klüger, Zölle zu senken, statt Zölle zu erheben. Gibt es jemanden, der langfristig von den aktuell diskutierten Zöllen profitiert?
Das glaube ich nicht. Es wird sicherlich bestimmte Unternehmen geben, die profitieren, es gibt immer Gewinner und Verlierer. Aber im Großen und Ganzen wird es mehr Verlierer geben. Die Zölle werden selbst den USA schaden.
Unsere globalen Lieferketten basieren auf Spezialisierung. Durch sie erreichen Länder und Regionen eine höhere Produktivität und oft auch eine höhere Qualität der Produkte. Unterm Strich können die Handelspartner zusammen mehr produzieren als alleine.
Aufgrund der Zölle werden manche Produktionsstätten in die USA zurück verlagert – und das ist auch durchaus das Ziel der jetzigen US-Administration. Wirtschaftlich wird das am Ende jedoch eine eher kleine Rolle spielen. Schwerwiegender wird sein, dass die höheren Zölle in den USA zu höheren Preisen führen werden. Zudem besteht ein erheblicher Teil der Importe aus Zwischenprodukten und Kapitalgütern, also Produkten, die weiterverarbeitet werden und für den Produktionsprozess amerikanischer Waren erforderlich sind. Höhere Zölle auf Zwischenprodukte und Kapitalgüter werden sich negativ auf die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit von US-Produzenten auswirken.
Wird China seine Waren, die es wegen hoher Zölle nicht mehr in den USA absetzen kann, vermehrt in Europa billig anbieten?
Das ist ein sehr guter Punkt. Zölle zwischen USA und China werden auf der einen Seite zu höheren Preisen für chinesische Produkte in der USA führen, auf der anderen Seite aber zu niedrigeren Preisen und mehr Konkurrenz in der EU und in allen anderen Ländern. Deswegen ist es für Europa sehr wichtig, auch mit China im steten Dialog zu bleiben, um sicherzustellen, dass dieser Effekt nicht zu neuen Handelskonflikten führt.
Wie sollte Europa denn auf neue amerikanische Zölle reagieren?
Auf neue Zölle wird mit Gegenmaßnahmen reagiert. Das ist die klare Position der Europäischen Kommission, und die halte ich für richtig. Solche Gegenmaßnahmen haben potenziell auch eine präventive Wirkung. Die EU ist ein großer und wichtiger Markt für alle Handelspartner. Und die Tatsache, dass alle EU-Staaten eine gemeinsame Stimme haben, ist ein riesiger Vorteil. Preiseffekte auf die US-Wirtschaft werden spürbar sein, und das wird die US-Regierung nicht ignorieren können.
Ich halte es für entscheidend, dass die EU eine gemeinsame Position vertritt
Welche Gegenmaßnahmen wären das zum Beispiel?
Welche Maßnahmen sinnvoll sind, hängt natürlich noch davon ab, welche Zölle die USA konkret umsetzen wird. Je nachdem, welche Sparten sie betreffen, werden die Zölle manche EU-Staaten stärker belasten, andere potenziell kaum. Ich halte es für entscheidend, dass die EU eine gemeinsame Position vertritt. Zusätzlich, denke ich, wäre es im Interesse der EU, keine Gegenzölle auf Rohstoffe und Zwischenprodukte zu erheben. Diese würden ihrer eigenen Wettbewerbsfähigkeit schaden.
Gibt es auch einen Lichtblick im Zollkonflikt?
Durchaus. Wir sollten nicht vergessen, dass bei einer Krise auch Chancen entstehen. Die US-Zollpolitik trifft im Moment nicht nur die EU, sondern auch sehr viele andere Länder, die dadurch offener für Gespräche mit uns werden. Die EU sollte diese Krise nutzen, um neue Handelspartnerschaften zu schmieden und bestehende zu vertiefen.
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DOI: 10.48720/IAB.FOO.20250313.01
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Autoren:
- Christiane Keitel