25. September 2020 | Serie „Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt“
Kurzarbeit ist nicht alles: Was Betriebe tun, um Entlassungen in der Krise zu vermeiden
Lutz Bellmann , Christian Kagerl , Theresa Koch , Corinna König , Ute Leber , Malte Schierholz , Jens Stegmaier , Armin Aminian
Nach dem Gastgewerbe waren es insbesondere das Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen, der Bereich Verkehr und Lagerei sowie das Verarbeitende Gewerbe, die unter der Corona-Krise zu leiden hatten. Andere Branchen wie das Baugewerbe, Information und Kommunikation oder die Land- und Forstwirtschaft hatten dagegen nur unterdurchschnittlich häufig mit negativen Folgen der Pandemie zu kämpfen (siehe hierzu auch die in der Publikationsreihe „Aktuelle Daten und Indikatoren“ veröffentlichten „Ergebnisse aus Welle 1 der Studie ‚Betriebe in der Covid-19-Krise‚“ auf der Webseite des IAB). Den Betrieben machten dabei besonders der Rückgang der Nachfrage und die vorübergehende Schließung von Betriebsteilen infolge des Shutdowns zu schaffen. Die Arbeitgeber mussten zudem höhere Kosten aufgrund von Hygieneauflagen und Schwierigkeiten beim Bezug von Vorleistungen oder Zwischenprodukten aus dem In- und Ausland verkraften (siehe Abbildung 1). So schätzten Anfang September dieses Jahres noch rund vier von zehn Betrieben die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie als überwiegend negativ ein.
Obwohl viele Betriebe überwiegend negativ betroffen waren und weiterhin sind, haben trotz der schweren Krise vergleichsweise wenige, nämlich nur 12 Prozent, angegeben, seit Beginn der Krise Arbeitskräfte entlassen zu haben. Hinzu kommt: Diese Entlassungen müssen nicht zwingend aufgrund der Krise, sondern können auch aus anderen Gründen erfolgt sein.
Der höchste Anteil an entlassenden Betrieben entfällt mit 19 Prozent auf das Gastgewerbe. Im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen hat dagegen mit acht Prozent nur ein unterdurchschnittlicher Anteil an Betrieben seit Beginn der Krise Personal entlassen, obwohl diese Branche ebenfalls stark von der Pandemie betroffen war. Der Anteil entlassender Betriebe liegt erwartungsgemäß auch im Baugewerbe sowie in der Land- und Forstwirtschaft unter dem Durchschnitt – also in jenen Wirtschaftszweigen, die nach eigener Einschätzung seltener negativ von der Pandemie betroffen waren.
Rund ein Drittel der Betriebe hat Kurzarbeit beantragt
Ein Instrument, das wesentlich zur Vermeidung von Entlassungen beigetragen hat und nach wie vor beiträgt, ist die Kurzarbeit. Wegen der Corona-Krise wurden auch die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld gelockert. Den Ergebnissen der Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ zufolge haben 45 Prozent der Betriebe in Deutschland während der Covid-19-Krise Kurzarbeit angezeigt. 35 Prozent haben es dann tatsächlich beantragt. Die Differenz zwischen beiden Werten kommt dadurch zustande, dass manche Betriebe einerseits vorsorglich Kurzarbeit anzeigen, aber dann feststellen, dass diese doch nicht vonnöten ist. Andererseits erfüllen die Betriebe nicht immer die Voraussetzungen für eine Beantragung von Kurzarbeitergeld. Dies trifft zum Beispiel zu, wenn weniger als zehn Prozent der Belegschaft von Kurzarbeit betroffen ist.
Der Anteil der Betriebe, die Kurzarbeit angezeigt oder beantragt haben, variiert je nach Betriebsgröße und Branche (siehe Abbildung 2). Über alle Größenklassen hinweg haben jeweils deutlich mehr Betriebe Kurzarbeitergeld angezeigt als später tatsächlich beantragt. Die Branche, in der mit großem Abstand der höchste Anteil an Betrieben Kurzarbeit angezeigt hat, ist das Gastgewerbe, gefolgt vom Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen sowie dem Groß- und Einzelhandel.
Auffällig ist, dass auch in diesen Branchen der Anteil derjenigen Betriebe, die Kurzarbeit angezeigt haben, deutlich oberhalb des Anteils derjenigen Betriebe liegt, die Kurzarbeitergeld tatsächlich beantragt haben. Es gibt jedoch Wirtschaftszweige, in denen dieser Unterschied deutlich geringer ausfällt. Dies gilt insbesondere für die Land- und Forstwirtschaft und den Informations- und Kommunikationssektor, aber auch für das Verarbeitende Gewerbe.
Neben der Kurzarbeit können die Betriebe weitere personalpolitische Maßnahmen einsetzen, um Entlassungen zu vermeiden und ihr Personal zu halten. Eine erste Möglichkeit liegt in der Anpassung der Arbeitszeit. So können Betriebe die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten auch ohne Kurzarbeit reduzieren, zum Beispiel indem keine Überstunden mehr geleistet oder bestehende Arbeitszeit- und Urlaubsguthaben abgebaut werden. Dabei ist zu beachten, dass die Auflösung von Überstunden- und Arbeitszeitkonten ebenso wie das Einbringen von noch vorhandenem Resturlaub in der Regel auch Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld sind.
In manchen Betrieben hat sich das Arbeitsaufkommen in der Krise sogar erhöht
Knapp ein Drittel der Betriebe hat zu Beginn der Krise ihre Beschäftigten verpflichtet oder dazu angehalten, Urlaubstage abzubauen oder Sonderurlaub zu nehmen (siehe Tabelle). Im Gastgewerbe sowie im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesens waren es sogar 47 Prozent aller Betriebe. Zu einem Abbau von Arbeitszeitguthaben kam es in 19 Prozent der Betriebe. Weitere 16 Prozent der Betriebe gaben an, ihre Arbeitszeit ohne Kurzarbeit mit oder ohne Lohnausgleich verkürzt zu haben.
Allerdings hat sich das Arbeitsaufkommen in manchen Betrieben während der Krise sogar erhöht. So gaben 13 Prozent der Betriebe an, dass Zeitguthaben aufgebaut wurden, und neun Prozent der Betriebe, dass die Arbeitszeiten ausgeweitet wurden. Dies trifft vor allem auf das Baugewerbe, das Verarbeitende Gewerbe sowie den Groß- und Einzelhandel zu.
Ein weiteres wichtiges Instrument, um die negativen Auswirkungen der Krise abzufedern und zugleich Abstandsregelungen einzuhalten, ist Homeoffice beziehungsweise Telearbeit. Etwa jeder vierte Betrieb hat im Zuge der Covid-19-Pandemie entsprechende Möglichkeiten neu eingeführt. Darüber hinaus hat knapp jeder fünfte Betrieb die hier bereits bestehenden Möglichkeiten ausgeweitet.
Die Verbreitung von Homeoffice unterscheidet sich deutlich von Branche zu Branche. Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil insbesondere im Bereich Information und Kommunikation sowie bei den Sonstigen Dienstleistungen, die unter anderem die Finanz- und Versicherungsdienstleistungen umfassen. Im Gast- und im Baugewerbe dagegen, wo viele Tätigkeiten eine Präsenz im Unternehmen erfordern, haben nur relativ wenige Betriebe von diesem Instrument Gebrauch gemacht.
Die weiteren personalpolitischen Maßnahmen, die konkret abgefragt wurden, spielen in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle. Jeweils zwei Prozent der Betriebe gaben an, Entfristungen auszusetzen oder Leiharbeit herunterzufahren. Vier Prozent sagten aus, keine Auszubildenden zu übernehmen.
Auch die geringe Bedeutung dieser Maßnahmen ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass der weit überwiegende Teil der Betriebe bemüht ist, ihre Beschäftigten trotz der aktuell schwierigen Bedingungen zu halten. Bestätigt wird dies durch einen weiteren Befund aus der Befragung, wonach immerhin neun Prozent der Betriebe ihre Beschäftigten als Reaktion auf die Krise weitergebildet oder umgeschult haben. Diese Betriebe haben die verkürzten Arbeitszeiten also dazu genutzt, um ihre Beschäftigten zu qualifizieren. Zugleich haben sie ihren Belegschaften damit das Signal gesendet, an ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern festhalten und in deren Zukunft investieren zu wollen. Das dürfte sich mittel- und langfristig gerade in Zeiten des digitalen Wandels auszahlen.
Entlassungen können nicht in jedem Fall verhindert werden
Trotz des breiten Einsatzes unterschiedlicher personalpolitischer Instrumente lassen sich Entlassungen nicht immer vermeiden. So haben zwar viele Betriebe im besonders von der Pandemie betroffenen Gastgewerbe Kurzarbeit beantragt. Zugleich musste diese Branche aber überdurchschnittlich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Auch ein jüngst im IAB-Forum erschienener Beitrag von Nicole Gürtzgen, Alexander Kubis und Benjamin Küfner kommt zu dem Ergebnis, dass sich Kurzarbeit und Entlassungen nicht immer ausschließen.
Auch in dieser Hinsicht sind die Daten der Covid-19-Betriebsbefragung aufschlussreich: So haben 20 Prozent der Betriebe, die Kurzarbeit beantragt haben, Entlassungen vorgenommen, aber nur 9 Prozent der Betriebe, die keine Kurzarbeit beantragt haben. Von denjenigen Betrieben, die angegeben haben, Sonderurlaub oder Urlaubsguthaben genutzt zu haben, mussten 19 Prozent Beschäftigte entlassen. Von den Betrieben, die davon keinen Gebrauch gemacht haben, waren es zehn Prozent.
Kurzarbeit und andere personalpolitische Maßnahmen können demnach die negativen Beschäftigungseffekte der Krise zwar abmildern, nicht aber vollständig verhindern. Einerseits setzt die Mehrzahl der besonders stark von der Krise betroffenen Betriebe auf ein Bündel an Instrumenten, um ihr Personal zu halten. Andererseits nimmt eine Minderheit dieser Betriebe gleichwohl Entlassungen vor.
Fazit
Zwar geht es seit dem Ende des Lockdowns wirtschaftlich wieder aufwärts (lesen Sie hierzu im IAB-Forum die monatliche Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage). Viele Betriebe sind nach eigener Einschätzung jedoch auch aktuell negativ von der Krise betroffen. Die Mehrzahl der Betriebe hat Entlassungen bisher vermieden. Wesentlich hierfür verantwortlich ist die Kurzarbeit, die vor allem in den besonders von der Krise gebeutelten Branchen weit verbreitet ist. Darüber hinaus ergreifen viele Betriebe weitere Personalmaßnahmen, um die negativen Auswirkungen der Pandemie abzufedern.
In aller Regel sind die Betriebe sehr darum bemüht, ihr Personal zu halten. So versuchen sie beispielsweise, Homeoffice intensiv zu nutzen, um den Herausforderungen der Pandemie zu begegnen. Maßnahmen wie das Aussetzen von Entfristungen oder der Abbau von Leiharbeitskräften spielen in der Praxis dagegen nur eine vergleichsweise kleine Rolle.
Doch obwohl die Arbeitgeber eher selten mit Entlassungen auf die Krise reagiert haben, ist die Arbeitslosigkeit in den letzten Monaten gestiegen. Dies hat im Wesentlichen damit zu tun, dass die Betriebe deutlich weniger Stellen als im Jahr zuvor ausgeschrieben haben (lesen Sie hierzu aktuelle Befunde aus der IAB-Stellenerhebung) – mit entsprechend negativen Folgen für die Chancen von Arbeitssuchenden und Berufseinsteigern.
Inwiefern die Betriebe auch in den kommenden Monaten auf Kurzarbeit und andere personalpolitische Maßnahmen setzen, um ihre Beschäftigten zu halten, wird insbesondere von der Entwicklung des Infektionsgeschehens und den politischen Maßnahmen zu dessen Eindämmung abhängen. Die Covid-19-Betriebsbefragung erlaubt es, die weitere Entwicklung in den Betrieben zeitnah abzubilden. Damit bietet sie auch der Politik eine wertvolle Entscheidungsgrundlage für ein zielgerichtetes ökonomisches und arbeitsmarktpolitisches Krisenmanagement.
Literatur
Bauer, Anja; Weber, Enzo (2020): Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage – August 2020, IAB-Forum vom 1. September 2020
Gürtzgen, Nicole; Kubis, Alexander; Küfner, Benjamin (2020): Großbetriebe haben während des Covid-19-Shutdowns seltener als kleine Betriebe Beschäftigte entlassen, IAB-Forum vom 3. Juli 2020
Kubis, Alexander (2020): IAB-Stellenerhebung 2/2020: Fast 500.000 weniger offene Stellen als ein Jahr zuvor, IAB-Forum vom 4. August 2020
Bellmann, Lutz; Kagerl, Christian ; Koch, Theresa; König, Corinna ; Leber, Ute; Schierholz, Malte ; Stegmaier, Jens; Aminian , Armin (2020): Kurzarbeit ist nicht alles: Was Betriebe tun, um Entlassungen in der Krise zu vermeiden, In: IAB-Forum 25. September 2020, https://www.iab-forum.de/kurzarbeit-ist-nicht-alles-was-betriebe-tun-um-entlassungen-in-der-krise-zu-vermeiden/, Abrufdatum: 26. December 2024
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Autoren:
- Lutz Bellmann
- Christian Kagerl
- Theresa Koch
- Corinna König
- Ute Leber
- Malte Schierholz
- Jens Stegmaier
- Armin Aminian