Um Menschen bei der beruflichen Orientierung zu unterstützen, hat die Bundesagentur für Arbeit in den letzten Jahren unter anderem die Berufsberatung im Erwerbsleben weiterentwickelt. Ein Team aus dem IAB hat untersucht, welche Personengruppen dieses Angebot im Jahr 2021 genutzt haben. Fast zwei Drittel der Beratenen waren Beschäftigte. Frauen, Jüngere, Teilzeitbeschäftigte sowie Beschäftigte aus kleineren Betrieben waren dabei überproportional vertreten.

Digitalisierung und struktureller Wandel bringen es mit sich, dass sich berufliche Anforderungen laufend verändern. Auch die für die Arbeit benötigten Qualifikationen und Kompetenzen ändern sich mit den Arbeitsprozessen und Berufsbildern. Manche Berufe verlieren an Bedeutung, während gleichzeitig neue Berufe entstehen. In vielen Bereichen der Wirtschaft besteht bereits ein Arbeits- und Fachkräftemangel, der sich durch den demografischen Wandel noch verstärken wird. Dies bringt für viele Erwerbstätige berufliche Herausforderungen, aber auch Chancen mit sich, die mit einer beruflichen Neuorientierung einhergehen.

Mit der Berufsberatung im Erwerbsleben (BBiE) unterstützt die Bundesagentur für Arbeit (BA) seit dem Jahr 2020 Erwerbspersonen in Phasen der beruflichen (Neu-)Orientierung. Ein zentrales Ziel ist es, dass Menschen die eigene berufliche Perspektive besser einschätzen und fundiertere Entscheidungen zur Planung ihres Berufswegs treffen können.

Das Angebot beinhaltet ausführliche Beratungsgespräche, Sprechzeiten für Kurzkontakte sowie berufsorientierende Veranstaltungen. Die Beratung kann berufliche Neu- und Umorientierungen oder berufliche Aufstiege und damit einhergehende (geförderte) Qualifizierungsangebote zum Thema haben.

Zielgruppen der Berufsberatung im Erwerbsleben sind vorrangig Erwerbstätige, insbesondere solche mit niedriger Qualifikation, oder Personen vor einem beruflichen Wiedereinstieg. Daneben richtet sich das Angebot auch an Arbeitsuchende und Arbeitslose, wenn sich diese außerhalb des bisherigen beruflichen Tätigkeitsfeldes oder der bisherigen Branche beruflich neu orientieren möchten, aber noch keine konkreten Vorstellungen dazu haben.

Die Autorinnen dieses Beitrags haben untersucht, welche Personen aus welchen Betrieben die BBiE im Jahr 2021 genutzt haben (eine ausführliche Analyse dazu finden Sie im IAB-Forschungsbericht 21/2023). Dabei wird zwischen Personen differenziert, die zum Zeitpunkt der Erstberatung

Grundlage sind unter anderem neu erschlossene Forschungsdaten zu Personen, die 2021 die Berufsberatung im Erwerbsleben in Anspruch genommen haben. Nach Aufbereitung und Bereinigung der Daten umfasst der Datensatz 45.000 Beschäftigte, knapp 9.000 Arbeitslose und rund 17.500 sonstige Personen, die in diesem Jahr mindestens einen ersten Beratungstermin wahrgenommen haben. Zu letzteren gehören zum Beispiel potenzielle Berufsrückkehrer*innen sowie Personen, die zum Zeitpunkt der Beratung „nur“ einen Minijob hatten.

Die Analyse bezieht sich auf das zweite Jahr der Einführungsphase (2020 bis 2022) der BBiE. Dieses Jahr war, wie bereits das Vorjahr, durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie geprägt, unter anderem durch Kontaktverbote und Agenturschließungen.

61 Prozent der beratenen Beschäftigten waren Frauen, 40 Prozent waren in Teilzeit tätig

Die zentrale Zielgruppe der BBiE sind Beschäftigte, die im Jahr 2021 fast zwei Drittel der beratenen Personen ausmachten. Diese wurden mit einer Referenzgruppe von Personen verglichen, die am 1. Juli 2021 sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren und das Beratungsangebot nicht nutzen.

Beschäftigte, die die BBiE nutzten, unterscheiden sich von der Referenzgruppe in Bezug auf ihre soziodemografischen Merkmale (siehe Abbildung 1) und ihre Erwerbshistorie teils deutlich: 61 Prozent der beratenen Beschäftigten waren Frauen, 15 Prozentpunkte mehr als in der Referenzgruppe. Westdeutsche Beschäftigte und Personen mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit waren jeweils um 3 beziehungsweise 4 Prozentpunkte überrepräsentiert.

Abbildung 1 zeigt ausgewählte soziodemografische Merkmale, Quoten zum ergänzenden Bezug von Arbeitslosengeld II und Teilzeitbeschäftigung, Berufsabschluss und Tätigkeit im aktuellen bzw. letzten Job von an der BBiE teilnehmenden und nichtteilnehmenden Beschäftigte im Jahr 2021. Die Anteile der Gruppen werden in Prozent ausgewiesen und sind gerundet.

Beschäftigte, die die Berufsberatung im Erwerbsleben nutzten, waren zudem deutlich häufiger in Teilzeit tätig (40 Prozent) als die Referenzgruppe (30 Prozent). Entsprechend lag das durchschnittliche Bruttotagesentgelt (Median) bei ihnen erkennbar niedriger als in der Referenzgruppe (um 25 Euro/Tag).

Die Beratenen waren mit knapp 36 Jahren im Mittel jünger als die Beschäftigten aus der Referenzgruppe, deren Altersdurchschnitt bei knapp 44 Jahren lag. Ein Vergleich nach Altersklassen zeigt, dass nur gut 4 Prozent der Beratenen 56 Jahre und älter waren. In der Referenzgruppe gehörte hingegen etwa jede fünfte Person dieser Altersgruppe an.

Der Anteil der Personen ohne Ausbildungsabschluss war in beiden Gruppen mit 6 Prozent in etwa gleich hoch. Allerdings verfügten die Beratenen etwas häufiger über eine abgeschlossene Berufsausbildung (74% versus 71%) und etwas seltener über einen Hochschulabschluss als Beschäftigte in der Referenzgruppe (20% versus 23%). Beratene arbeiteten im Mittel zudem etwas öfter in Jobs mit niedrigerem Anforderungsniveau als Personen aus der Referenzgruppe.

In den letzten fünf Jahren vor dem Erstkontakt waren Beratene im Mittel schließlich seltener in Beschäftigung, länger arbeitslos beziehungsweise im Arbeitslosengeldbezug und hatten ein niedrigeres Jahreseinkommen.

Erwerbstätige aus dem Gesundheits- und Sozialwesen sowie Handel und Gastgewerbe ließen sich überproportional häufig beraten

Die Betriebe, in denen Beratene und Beschäftigte in der Vergleichsstichprobe tätig waren, unterscheiden sich leicht (siehe Abbildung 2): Im Mittel waren Beratene in Betrieben mit 496 Beschäftigten tätig, die Referenzgruppe hingegen in Betrieben mit 983 Beschäftigten. Zudem waren die beratenen Beschäftigten überproportional im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Handel und dem Gastgewerbe tätig, seltener hingegen im Verarbeitenden Gewerbe.

Abbildung 2 zeigt die Betriebsgröße des Beschäftigungsbetriebs sowie die Branche des aktuellen oder letzten Jobs von an der BBiE teilnehmenden und nichtteilnehmenden Beschäftigte im Jahr 2021. Die Anteile der Gruppen werden in Prozent ausgewiesen und sind gerundet.

Im IAB-Forschungsbericht 21/2023 finden sich weitere Befunde zu Arbeitslosen und Personen mit anderem Status, die das Beratungsangebot genutzt haben. Zu letzteren zählen auch Personen, die potenziell wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen, auch wenn sich diese nicht eindeutig identifizieren lassen.

Fazit

Von den Beschäftigten haben Geringverdiener, Geringqualifizierte und Beschäftigte in Jobs mit einem niedrigeren Anforderungsniveau sowie in Teilzeit das Angebot überproportional häufig in Anspruch genommen. Zudem kommen die Beratenen eher aus kleineren Betrieben. Bestimmte Branchen wie der Handel oder das Gesundheits- und Sozialwesen sind überproportional vertreten. Insgesamt zeigt sich also, dass die BBiE nicht von allen Gruppen von Beschäftigten gleichermaßen nachgefragt wurde.

Die hier skizzierten Befunde sind der erste Teil eines größeren Forschungsprogramms. Im Jahr 2024 wird das IAB eine qualitative Studie durchführen, die der Frage nachgeht, wie die BBiE in die hiesige Weiterbildungs- und Weiterbildungsberatungslandschaft eingebettet ist. Außerdem wird das IAB dann untersuchen, wie sich die Erwerbsbiografie der im Jahr 2021 beratenen Personen bis Ende des Jahres 2022 entwickelt hat. Mögliche Indikatoren sind zum Beispiel Veränderungen in der Art der Erwerbstätigkeit oder der Lohnhöhe.

In aller Kürze
  • Seit dem Jahr 2020 bietet die Bundesagentur für Arbeit bundesweit die Berufsberatung im Erwerbsleben (BBiE) an. Eine zentrale Zielgruppe sind Erwerbstätige vor einer beruflichen Neu- oder Umorientierung oder einem beruflichen Wiedereinstieg. Daneben richtet sich das Angebot an Arbeitslose im Rechtskreis der Arbeitslosenversicherung, die berufliche Vorerfahrungen und einen erhöhten beruflichen Beratungs- und Orientierungsbedarf haben.
  • Ein Team aus dem IAB hat untersucht, welche Personen im Jahr 2021 die Beratung genutzt haben und aus welchen Betrieben sie kommen. Im Ergebnis zeigt sich, dass jüngere Menschen das Berufsberatungsangebot überproportional häufig in Anspruch genommen haben. Das Angebot erreichte zudem relativ mehr Frauen als Männer.
  • Die Mehrheit der Beratenen waren Beschäftigte. Sie hatten im aktuellen Job ein im Schnitt deutlich geringeres Bruttotagesentgelt (gemessen am Median) als Personen in der Referenzgruppe und arbeiteten häufiger in Jobs mit einem geringeren Anforderungsniveau sowie in Teilzeit. Zudem hatten sie seltener einen Hochschulabschluss, aber häufiger eine abgeschlossene Ausbildung.

Literatur

Heusler, Anna; Lang, Julia Lang; Stephan, Gesine (2023): Wer nimmt die Berufsberatung im Erwerbsleben (BBiE) in Anspruch? Eine Prozessdatenanalyse. IAB-Forschungsbericht Nr. 21.

Bild: RFBSIP/stock.adobe.com

DOI: 10.48720/IAB.FOO.20240124.01

Heusler, Anna; Lang, Julia; Stephan, Gesine (2024): Wer nutzt die „Berufsberatung im Erwerbsleben“ der Bundesagentur für Arbeit?, In: IAB-Forum 24. Januar 2024, https://www.iab-forum.de/wer-nutzt-die-berufsberatung-im-erwerbsleben-der-bundesagentur-fuer-arbeit/, Abrufdatum: 7. November 2024