21. November 2023 | Serie „Arbeitskräftesicherung“
IAB-Monitor Arbeitskräftebedarf 3/2023: Die Vakanzrate ist insbesondere in Ostdeutschland gesunken
Der betriebliche Personalbedarf in Deutschland ist – gemessen an den offenen Stellen – nach wie vor hoch: Im dritten Quartal dieses Jahres gab es bundesweit 1,73 Millionen offene Stellen (siehe Abbildung 1). Das von den Betrieben berichtete gesamtwirtschaftliche Stellenangebot ist damit gegenüber dem Vorquartal um rund 15.000 offene Stellen gesunken. Dies entspricht einem Rückgang von knapp 1 Prozent. Gegenüber dem Vorjahresquartal 2022 sank die Zahl der berichteten offenen Stellen jedoch um fast 98.000 beziehungsweise um 5,4 Prozent.
Die Zahl der offenen Stellen setzt sich aus den der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldeten sowie den über andere Suchkanäle ausgeschriebenen offenen Stellen zusammen. Von den 1,73 Millionen offenen Stellen waren im dritten Quartal dieses Jahres laut Angaben der Betriebe 697.000 offene Stellen der BA gemeldet. Dies entspricht einer Meldequote von 40 Prozent.
In der jüngeren Vergangenheit trafen die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie den Arbeitsmarkt in unterschiedlicher Intensität und führten zu einem deutlichen Rückgang der offenen Stellen in fast allen Bereichen. Nach Ende der pandemiebedingten Lockdowns erholte sich der Arbeitsmarkt jedoch schnell. Ein Teil des in den Jahren 2021 und 2022 beobachteten Anstiegs der offenen Stellen dürfte auf einen in den Lockdowns entstandenen Ersatzbedarf zurückzuführen sein, da die Betriebe ihre Rekrutierungsanstrengungen aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit zunächst reduziert hatten.
Seit dem vierten Quartal 2022 ist das Stellenangebot erneut rückläufig, wenngleich weit weniger stark als in der Hochphase der Pandemie. Der aktuelle Rückgang an offenen Stellen gegenüber dem Vorjahresquartal lässt sich unter anderem mit der schwachen Konjunkturdynamik erklären. Diese ist aufgrund eines hohen Preis- und Zinsniveaus durch eine gedämpfte Konsum- und Investitionstätigkeit gekennzeichnet (lesen Sie dazu die ebenfalls im IAB-Forum erschienene Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage vom Oktober dieses Jahres).
Die Zahl der offenen Stellen hat gegenüber dem Vorjahresquartal in den meisten Branchen abgenommen
Zugleich variiert die Entwicklung der offenen Stellen im Jahresvergleich sehr stark von Branche zu Branche (siehe Abbildung 2). In den Bereichen „Sonstige Dienstleistungen“ sowie „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ war gegenüber dem dritten Quartal 2022 sogar ein leichter Anstieg von rund 9.000 beziehungsweise 8.000 Stellen zu beobachten – entgegen dem Trend in den meisten anderen Branchen.
Der stärkste absolute Rückgang zeigt sich im Verarbeitenden Gewerbe und im Bereich „Information und Kommunikation“ mit einem Minus von jeweils rund 22.000 offenen Stellen. Ein Rückgang von 18.000 bis 19.000 offenen Stellen ist außerdem für die Branchen „Verkehr und Lagerei“, „Handel und KFZ-Reparatur“ sowie „Unternehmensnahe Dienstleistungen“ ersichtlich. In den anderen Branchen war der Bestand an offenen Stellen gegenüber dem Vorjahresquartal ebenfalls rückläufig.
Die Entwicklung der absoluten Zahl der offenen Stellen ist jedoch immer vor dem Hintergrund stark variierender Branchengrößen zu betrachten. So können vergleichsweise kleine absolute Veränderungen zum Teil zu größeren relativen Veränderungen führen, welche jedoch möglicherweise durch eine hohe statistische Unsicherheit gekennzeichnet sind.
Entgegen dem allgemeinen Trend hat die Zahl der offenen Stellen in kleineren Betrieben leicht zugenommen
Die Entwicklung der offenen Stellen variiert stark mit den in der Stellenerhebung ausgewerteten Betriebsgrößenklassen (siehe Abbildung 3). Anders als in den Vorquartalen ist der Bestand an offenen Stellen für Betriebe mit weniger als 50 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten nicht mehr rückläufig. Er ist stattdessen im Jahresvergleich sogar leicht um rund 18.000 Stellen gestiegen. Die Zahl der offenen Stellen sank hingegen in Betrieben mit 50 bis 249 Beschäftigten um 65.000 und in Betrieben mit 250 und mehr Beschäftigten um 51.000.
Hohe Arbeitsnachfrage macht Engpässe wahrscheinlich
Das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen ist ein Indikator dafür, wie schwierig es für Arbeitsuchende ist, eine neue Stelle zu finden. Das umgekehrte Verhältnis wird als Arbeitsmarktanspannung bezeichnet. Es stellt aus Sicht der Betriebe die Zahl der Arbeitskräfte, die die Betriebe einstellen möchten, dem Angebot an arbeitslosen Arbeitskräften gegenüber.
Je niedriger das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen ist und je höher damit die Arbeitsmarktanspannung ausfällt, desto mehr Schwierigkeiten dürften Betriebe – unter sonst gleichen Bedingungen – haben, ihre offenen Stellen zu besetzen. Wie zwei IAB-Studien zeigen, die als IAB-Kurzbericht 23/2018 und IAB-Kurzbericht 12/2023 erschienen sind, geht eine höhere Arbeitsmarktanspannung – aus Perspektive der Betriebe – mit einer geringeren Anzahl an Bewerbungen, einer längeren Suchdauer, einer größeren Anzahl an Suchkanälen und höheren Einstellungskosten einher.
Die Arbeitslosen-Stellen-Relation ist in Ostdeutschland geringfügig höher als in Westdeutschland
Das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen hat Ende 2022 im langjährigen Vergleich einen Tiefstand erreicht. Kamen im vierten Quartal 2010 noch 3,7 Arbeitslose auf eine offene Stelle, war es im vierten Quartal 2022 mit 1,2 Arbeitslosen pro offener Stelle nur noch rund ein Drittel des damaligen Werts (siehe Abbildung 4). Im ersten Quartal 2023 hat sich der Wert wieder leicht auf 1,5 Arbeitslose pro offener Stelle erhöht und verbleibt seither auf diesem Niveau.
Im Vergleich zum Jahr 2010 zeigen sich am aktuellen Rand nur noch geringfügige Ost-West-Unterschiede bei der Arbeitslosen-Stellen-Relation. In den pandemiebedingten Lockdown-Phasen waren Niveau und Entwicklung in Ost- und Westdeutschland sehr ähnlich. Am aktuellen Rand liegt die Relation von Arbeitslosen zu offenen Stellen in Ostdeutschland jedoch wieder leicht über dem westdeutschen Wert.
Ein anderer Indikator für betriebliche Rekrutierungsschwierigkeiten ist die Vakanzrate. Sie misst den Anteil der sofort zu besetzenden offenen Stellen an der gesamten Arbeitsnachfrage der Betriebe. Die gesamte betriebliche Arbeitsnachfrage entspricht der Summe aus der realisierten Nachfrage, genauer gesagt der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, und der kurzfristig nicht realisierten Nachfrage, also den sofort zu besetzenden offenen Stellen. Damit sind offene Stellen gemeint, bei denen der vom Betrieb gewünschte Arbeitsbeginn bereits überschritten ist und die Arbeitsstelle deshalb zu diesem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit (anders als bei später zu besetzenden offenen Stellen) tatsächlich unbesetzt ist.
Die Vakanzrate erreichte im vierten Quartal 2022 mit 4,5 Prozent einen neuen Höchstwert. Seither ist die Rate wieder gesunken. Im dritten Quartal 2023 lag sie im Bundesgebiet bei 3,6 Prozent. Auf 100 von den Betrieben nachgefragte Arbeitskräfte kamen also zuletzt 3,6 sofort zu besetzende offene Stellen (siehe Abbildung 5).
Während die Vakanzrate in Westdeutschland der für das Bundesgebiet ähnelt, fällt der Rückgang in Ostdeutschland etwas stärker aus. Dort beläuft sich die Vakanzrate aktuell auf einen Wert von 3,3 Prozent. Trotz des Rückganges bewegt sie sich immer noch auf einem vergleichsweisen hohen Niveau. Beispielsweise kamen zu Beginn der Covid-19-Rezession im zweiten Quartal 2020 auf 100 nachgefragte Arbeitskräfte 1,8 offene Stellen. Der aktuelle Wert von 3,6 liegt zudem weiterhin über dem Wert vor Beginn der Covid-19-Rezession: Im dritten Quartal 2019 waren auf 100 nachgefragte Arbeitskräfte 3,1 offene Stellen entfallen.
Fazit
Der Arbeitsmarkt in Deutschland zeigt sich auch im dritten Quartal dieses Jahres insgesamt robust, trotz der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung sowie der Herausforderungen durch Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung. Die Anzahl der offenen Stellen ist gegenüber dem Vorjahresquartal weiterhin rückläufig. Sie verharrt jedoch im Vergleich zum Vorquartal auf vergleichsweise stabilem Niveau.
Auch wenn am Arbeitsmarkt insgesamt noch keine großen Einbrüche auszumachen sind, ist bei einer anhaltenden Rezession ein weiterer Rückgang des gesamtwirtschaftlichen Stellenangebots wahrscheinlich. Zugleich sind die Stellenbesetzungsprobleme selbst zum Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung geworden, etwa weil Aufträge infolge von Personalengpässen nicht oder nur zeitverzögert erledigt werden können.
Der Rückgang an offenen Stellen gegenüber dem Vorjahr betrifft – mit wenigen Ausnahmen – die meisten Wirtschaftsbereiche, und dabei in erster Linie mittlere und große Betriebe. Das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen liegt aber im dritten Quartal 2023 mit einer Arbeitslosen-Stellen-Relation von 1,5 Arbeitslosen pro offener Stelle weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Die Konkurrenz um Arbeitskräfte ist also nach wie vor groß.
Hinweis: Die hier veröffentlichten Daten und weitere Informationen können auf der Website der IAB-Stellenerhebung heruntergeladen werden.
Datengrundlage: Die IAB-Stellenerhebung
Die IAB-Stellenerhebung wird als repräsentative Quartalsbefragung im Auftrag des IAB durchgeführt. Die Erhebung erfolgt seit 1989 im vierten Quartal jedes Jahres mit einem mehrteiligen Fragebogen. Es handelt sich um die einzige Erhebung in Deutschland, die repräsentativ die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitskräftebedarfs misst und Informationen zu den betrieblichen Rekrutierungsprozessen erhebt. Seit dem vierten Quartal 2005 wird die Zahl der offenen Stellen für jedes Quartal erhoben (für weitere Informationen zur IAB-Stellenerhebung siehe Bossler et al. 2020).
In der Hauptbefragung im vierten Quartal jedes Jahres werden jeweils etwa 7 Prozent der deutschen Betriebe mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten kontaktiert. Der endgültige Rücklauf liegt im vierten Quartal zwischen 11.500 und 15.100 auswertbaren Fragebögen. Im ersten, zweiten und dritten Quartal des Folgejahres werden die Betriebe und Verwaltungen, die an der Hauptbefragung im vierten Quartal teilgenommen haben, erneut für kurze Nachbefragungen kontaktiert, um die Entwicklungen der Arbeitskräftenachfrage unterjährig zu aktualisieren. Auf dieser Basis werden für jedes Quartal repräsentative Aussagen getrennt für Ost- und Westdeutschland, für sechs Betriebsgrößenklassen sowie für 24 Wirtschaftszweige getroffen.
Bei den Angaben aus der IAB-Stellenerhebung handelt es sich nicht um administrativ erfasste Zahlen, sondern um hochgerechnete Werte aus einer Stichprobe, die mit einer gewissen Ungenauigkeit einhergehen. Bei der Interpretation sollte deshalb berücksichtigt werden, dass sich Veränderungen der Zahlenwerte zum Teil im Bereich des Stichprobenfehlers bewegen. Die Ungenauigkeit nimmt bei Betrachtung kleinerer Substichproben zu.
Die auf Basis der IAB- Stellenerhebung hochgerechnete Zahl der gemeldeten offenen Stellen weicht üblicherweise von der durch die BA-Statistik ausgewiesenen Zahl der gemeldeten offenen Stellen ab, da es sich bei der IAB-Stellenerhebung um eine Befragung von Betrieben handelt, bei der Statistik der gemeldeten offenen Stellen hingegen um eine prozessproduzierte Statistik. Die Abweichungen sind in der Regel geringer, wenn man den Wirtschaftszweig Arbeitnehmerüberlassung ausklammert, da dessen Betriebe ein besonderes Meldeverhalten aufweisen. Eine ausführliche Beschreibung der Unterschiede zwischen der Statistik der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Stellen und den auf Basis der IAB-Stellenerhebung berichteten gemeldeten Stellen findet sich im Qualitätsbericht „Statistik der gemeldeten Arbeitsstellen“ sowie im Methodenbericht „Umstellung der Statistik der gemeldeten Arbeitsstellen“.
In aller Kürze
- Das von den Betrieben im dritten Quartal 2023 berichtete Stellenangebot bewegt sich mit 1,73 Millionen offenen Stellen auf dem Niveau des Vorquartals.
- Gegenüber dem Vorjahresquartal 2022 sank die Zahl der berichteten offenen Stellen um 5,4 Prozent.
- Der stärkste absolute Rückgang gegenüber dem Vorjahresquartal 2022 zeigt sich in den Bereichen „Verarbeitendes Gewerbe“ sowie bei „Information und Kommunikation“. Der Rückgang an offenen Stellen betrifft in erster Linie mittlere und große Betriebe.
- Das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen bleibt mit 1,5 auf einem niedrigen Niveau.
- Auf 100 von den Betrieben nachgefragte Arbeitskräfte kommen aktuell 3,6 sofort zu besetzende offene Stellen.
Literatur
Bauer, Anja; Weber, Enzo (2023): Einschätzung des IAB zur wirtschaftlichen Lage – Oktober 2023. In: IAB-Forum, 02.11.2023.
Bossler, Mario; Gürtzgen, Nicole; Kubis, Alexander; Küfner, Benjamin; Lochner, Benjamin (2020): The IAB Job Vacancy Survey: design and research potential. In: Journal for Labour Market Research, Vol. 54, No. 1, Art. 13.
Bossler, Mario; Gürtzgen, Nicole; Kubis, Alexander; Moczall Andreas (2018): IAB-Stellenerhebung von 1992 bis 2017: So wenige Arbeitslose pro offene Stelle wie nie in den vergangenen 25 Jahren. IAB-Kurzbericht Nr. 23.
Bossler, Mario; Popp, Martin (2023): Arbeitsmarktanspannung aus beruflicher und regionaler Sicht: Die steigende Knappheit an Arbeitskräften bremst das Beschäftigungswachstum. IAB-Kurzbericht Nr. 12.
Beitragsbild: Dmitry Nikolaev/stock.adobe.com
DOI: 10.48720/IAB.FOO.20231121.01
Gürtzgen, Nicole; Kubis, Alexander; Popp, Martin (2023): IAB-Monitor Arbeitskräftebedarf 3/2023: Die Vakanzrate ist insbesondere in Ostdeutschland gesunken, In: IAB-Forum 21. November 2023, https://www.iab-forum.de/iab-monitor-arbeitskraeftebedarf-3-2023-die-vakanzrate-ist-insbesondere-in-ostdeutschland-gesunken/, Abrufdatum: 18. December 2024
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Autoren:
- Nicole Gürtzgen
- Alexander Kubis
- Martin Popp