18. August 2020 | Serie „Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt“
Bei drei Vierteln der erwerbstätigen Eltern ist die Belastung durch Kinderbetreuung in der Covid-19-Pandemie gestiegen
Die Covid-19-Pandemie hat die Welt mit einer bis dato unbekannten Wucht getroffen. Die Folgen für die Wirtschaft sind unmittelbar sichtbar: Wirtschaftsbetriebe mussten die Produktion einschränken oder einstellen. Die Zahl der Personen in Kurzarbeit lag – mit gut 20 Prozent der Erwerbstätigen im Mai dieses Jahres – um ein Vielfaches über der in der Finanzmarktkrise (lesen Sie dazu einen aktuellen Beitrag von Thomas Kruppe und Christopher Osiander im IAB-Forum). Die Zahl der Arbeitslosen überschritt nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit im Juni 2,8 Millionen. Wo möglich, wurde Arbeit aus dem Büro ins Homeoffice verlagert.
Die Pandemie traf und trifft die Menschen aber auch in ihrem Privatleben stark: Soziale Aktivitäten mussten und müssen stark eingeschränkt werden. Die Krise hat insbesondere gezeigt, welche hohe Bedeutung die außerhäusliche Kinderbetreuung in Deutschland mittlerweile hat. Denn ohne sie könnten viele Eltern nur sehr eingeschränkt am Erwerbsleben teilnehmen.
Mitte März wurden Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen weitgehend geschlossen. Auch die Betreuung durch Großeltern war aufgrund der besonderen Risiken für Ältere zumeist keine Option. Viele Familien mussten von einem Tag auf den anderen ihren Alltag komplett neu organisieren. Auch im Fall von Homeoffice war und ist es für viele Erwerbstätige mit Kindern schwierig, Familie und Erwerbsarbeit miteinander zu vereinbaren. In der Phase der Ausgangsbeschränkungen kam hinzu, dass dies häufig auf engem Raum erfolgen musste.
Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang Auswertungen aus der Befragung „Leben und Erwerbstätigkeit in Zeiten von Corona“ (siehe Infokasten „Daten und Methoden“), die in Fachkreisen auch unter dem Kürzel HOPP-Befragung (Hochfrequentes Online-Personen-Panel) firmiert. Eltern, die minderjährige Kinder im Haushalt haben und einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, wurden hierbei befragt, ob sich ihre persönliche Belastung durch die Kinderbetreuung aufgrund der Corona-Krise verändert habe. Die Belastung kann dabei unterschiedlicher Art sein, zum Beispiel zeitlicher oder psychischer Natur. Ergebnissen der Mannheimer Corona-Studie zufolge betreuten im April über 90 Prozent der Eltern ihre Kinder ohne weitere Unterstützung.
44 Prozent der Männer und 49 Prozent der Frauen berichten von einer stark gestiegenen Belastung
Etwa drei Viertel der befragten erwerbstätigen Eltern gaben in der HOPP-Befragung an, dass ihre Belastung durch die Kinderbetreuung gestiegen ist (siehe Abbildung 1). Bei den Frauen liegt der Anteil derjenigen, deren Belastung stark gestiegen ist, mit 49 Prozent um 5 Prozentpunkte höher als bei den Männern. Die Mannheimer Corona-Studie zeigt: Bei etwa der Hälfte der Paarhaushalte mit Kindern, die die Betreuung ohne Unterstützung von außen gewährleisten mussten, hat die Frau die Kinder alleine betreut, in einem Viertel der Fälle alleine der Mann (am Befragungstag im März/April).
Die Möglichkeit von Homeoffice kann es Eltern erleichtern, ihre Kinder auch in Zeiten geschlossener Kitas und Schulen zu betreuen. Andererseits kann die Kombination von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit zu Hause dazu führen, dass die Belastung noch einmal erheblich zunimmt. Wie der IAB-Kurzbericht 13/2020 zeigt, arbeiten Beschäftigte mit Kindern, die aufgrund der Pandemie zu Hause betreut werden müssen, häufiger zu unüblichen Zeiten und erleben ihre Arbeit dabei tendenziell als weniger effizient.
49 Prozent der betroffenen Frauen und 57 Prozent der betroffenen Männer gaben an, in der letzten Arbeitswoche vor der Befragung zumindest teilweise von zu Hause aus gearbeitet zu haben. Davon berichteten jeweils deutlich über 80 Prozent, dass die Belastung durch die Kinderbetreuung zugenommen habe (siehe Abbildung 2). Dabei lag der Anteil der Frauen, die eine stark gestiegene Belastung zu Protokoll gaben, mit 61 Prozent um 7 Prozentpunkte höher als bei den Männern.
Ergänzende deskriptive Analysen zeigen, dass die Arbeitszeiten der Frauen im Vergleich zu einer üblichen Arbeitswoche vor der Krise um vier und fünf Stunden pro Woche zurückgegangen sind. Dies ist etwa eine halbe Stunde und damit circa zehn Prozent mehr als bei den Männern. Besonders bemerkenswert: Der Rückgang der Arbeitszeit war bei denjenigen Eltern, deren Belastung nach eigenen Angaben nur etwas gestiegen ist, kaum größer als bei denen, die von einer stark gestiegenen Belastung berichten.
Wenn Beschäftigte von zu Hause arbeiten, macht sich die Doppelbelastung besonders bemerkbar
Mittels multivariater Analysen lässt sich prüfen, inwieweit eine stark gestiegene Belastung mit weiteren individuellen und haushaltsbezogenen Merkmalen zusammenhängt (siehe Infokasten „Daten und Methoden“ sowie Tabelle A.1 in den Aktuellen Daten und Indikatoren zur Belastung und Zufriedenheit erwerbstätiger Eltern in der Covid-19-Pandemie vom 19. August 2020). Die Schätzungen bestätigen zunächst die Ergebnisse der deskriptiven Analysen: Der Anteil derjenigen erwerbstätigen Eltern, die eine stark gestiegene Belastung durch Kinderbetreuung angeben, fällt bei den Frauen auch unter sonst gleichen Umständen – zum Beispiel in Bezug auf Kinderzahl, Ausbildung, Arbeitszeit und Haushaltsnettoeinkommen – um circa 5 Prozentpunkte höher aus als bei den Männern. Er ist sogar um 7 Prozentpunkte höher, wenn sich die Eltern im Homeoffice befinden.
Bei Erwerbstätigen, die in der letzten Woche vor der Befragung zumindest teilweise im Homeoffice waren, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Belastung durch die Kinderbetreuung stark gestiegen ist, um 14 Prozentpunkte höher. Einen hohen Einfluss auf die wahrgenommene Belastung hat bei Erwerbsstätigen ansonsten vor allem die Kinderzahl. Der Anteil der Befragten, die von einer stark gestiegenen Belastung berichteten, lag bei zwei Kindern im Haushalt um 16 Prozentpunkte höher als bei einem Kind. Bei drei und mehr Kindern waren es sogar 20 Prozentpunkte mehr.
Erwähnenswert ist weiterhin, dass erwerbstätige Elternteile ohne Partner oder Partnerin deutlich seltener angegeben haben, dass ihre Belastung durch die Kinderbetreuung in der Krise stark gestiegen ist (6 Prozentpunkte weniger). Dies könnte daran liegen, dass ihre Kinder in allen Bundesländern recht schnell zur Notbetreuung zugelassen wurden. Sofern sie im Homeoffice tätig waren, findet sich dieser Unterschied bei der wahrgenommenen Belastung allerdings nicht.
Auch der Bildungsabschluss scheint eine Rolle zu spielen. So geben vor allem Akademiker und insbesondere Akademikerinnen häufiger als andere Berufsgruppen an, dass ihre Belastung durch Kinderbetreuung gestiegen ist. Die Belastung nahm weiterhin insbesondere in der Altersgruppe von 35 bis 45 Jahren zu.
Zudem stieg die Belastung sowohl bei Personen, die ihre Arbeitszeit um mindestens fünf Wochenstunden erhöhten, als auch bei solchen, die sie um mindestens fünf Wochenstunden reduzierten, überproportional häufig stark an. Längere Arbeitszeiten erschweren die Vereinbarkeit, während kürzere Arbeitszeiten auch eine Folge gestiegener Betreuungsaktivitäten sein könnten (dabei gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen). Das Haushaltsnettoeinkommen und die wöchentliche Arbeitszeit in Vor-Krisen-Zeiten haben hingegen kaum einen Einfluss auf die Antworten.
Eltern mit stark gestiegener Belastung durch die Kinderbetreuung sind in allen Lebensbereichen unzufriedener
Sowohl bei Männern als auch bei Frauen zeigt sich erwartungsgemäß, dass die allgemeine Lebenszufriedenheit und die Zufriedenheit in fast allen aufgeführten Lebensbereichen bei einer stark gestiegenen Belastung signifikant niedriger ist. Dies gilt besonders für die Zufriedenheit mit der Freizeit und dem Familienleben. Über das eigene Umfeld hinaus ist zu beobachten: Die Zufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland und mit dem Krisenmanagement der Regierung fallen ebenfalls geringer aus, wenn die Belastung durch die Kinderbetreuung stark steigt. Bei diesen Ergebnissen lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass unzufriedenere Personen auch eher angeben, stärker belastet zu sein.
Ergänzende multivariate Analysen der Zufriedenheit bestätigen (siehe Infokasten „Daten und Methoden“ sowie Tabelle A.2 in den Aktuellen Daten und Indikatoren zur Belastung und Zufriedenheit erwerbstätiger Eltern in der Covid-19-Pandemie vom 19. August 2020), dass die stark gestiegene Belastung unter sonst gleichen Umständen nicht nur mit einer geringeren allgemeinen Lebenszufriedenheit einhergeht, sondern auch mit niedrigerer Zufriedenheit in jedem einzelnen hier betrachteten Lebensbereich. Bei Männern ist der Zusammenhang zwischen einer stark gestiegenen Belastung und der Lebenszufriedenheit sowie der Zufriedenheit mit der Freizeit auch unter sonst gleichen Umständen (zum Beispiel in Bezug auf Kinderzahl, Ausbildung, Arbeitszeit und Haushaltsnettoeinkommen) deutlich schwächer ausgeprägt als bei Frauen.
Ob in der letzten Woche (teilweise) zu Hause gearbeitet wurde, scheint für die meisten Zufriedenheitswerte keine Rolle zu spielen. Allerdings gibt es drei Ausnahmen: Wer sich im Homeoffice befand, war mit seinem Familienleben leicht unzufriedener, aber mit der Demokratie in Deutschland und dem Krisenmanagement der Regierung hingegen zufriedener als Eltern, die nicht im Homeoffice waren.
Fazit
Temporäre Schließungen von Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen infolge der Covid-19-Pandemie brachten für viele Eltern in den letzten Monaten große Herausforderungen mit sich. Eine Auswertung der aktuellen IAB-Befragung „Leben und Erwerbstätigkeit in Zeiten von Corona“ zeigt: Bei drei Vierteln der erwerbstätigen Eltern von minderjährigen Kindern ist die empfundene Belastung durch die Kinderbetreuung gestiegen, für Frauen dabei noch stärker als für Männer.
Heimarbeit kann die Vereinbarkeit von Familie und Berufsleben erleichtern. Sie kann in der aktuellen Krise allerdings auch dazu führen, dass die Doppelbelastung durch Erwerbstätigkeit und Betreuungspflichten noch intensiver wahrgenommen wird. Auch wenn Männer mehr Verantwortung für die Betreuung übernommen haben, werden die zusätzlichen Lasten offenbar in stärkerem Ausmaß von Frauen getragen.
Die Auswertungen zeigen auch, wie wichtig die Möglichkeit einer externen Kinderbetreuung für die Lebenszufriedenheit in fast allen Lebensbereichen ist. Sowohl Väter als auch Mütter, deren Belastung durch die Kinderbetreuung stark gestiegen ist, sind signifikant unzufriedener als Eltern, bei denen dies nicht der Fall ist. Dies gilt im Übrigen auch für deren Zufriedenheit mit der Demokratie und dem Krisenmanagement der Regierung.
Daten und Methoden
Dem Beitrag liegen Daten des hochfrequenten Online-Personen-Panels (HOPP) „Leben und Erwerbstätigkeit in Zeiten von Corona“ des IAB zugrunde, mit dem die Folgen der Covid-19-Pandemie für den Arbeitsmarkt so zeitnah wie möglich erfasst werden sollen. Das Panel ist eine Online-Befragung, die auf einer repräsentativen, proportional geschichteten Zufallsstichprobe der Personen besteht, die im Jahr 2018 in den Integrierten Erwerbsbiografien (IEB) des IAB erfasst waren. Die IEB basieren auf administrativen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) und umfassen alle Episoden sozialversicherungspflichtiger sowie geringfügiger Beschäftigung, des Arbeitslosengeld- und Arbeitslosengeld-II-Bezugs, der Arbeitsuche und Arbeitslosigkeit sowie der Teilnahme an durch die BA administrierten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Nicht enthalten in den Daten sind Informationen zu Selbstständigen und Beamten sowie zu Personen, die sich (zeitweilig) aus dem Arbeitsmarkt zurückbezogen haben.
Das IAB befragt im Rahmen des Panels überwiegend abhängig Beschäftigte monatlich zu Veränderungen ihres Sozial- und Arbeitslebens im Zuge der Covid-19-Pandemie. Beispielhafte Aspekte sind die Entwicklung von Beschäftigungsverhältnissen, Kurzarbeit, sozialer und finanzieller Absicherung, Arbeitszeiten, Homeoffice und Kinderbetreuung. Die hier genutzten Daten stammen aus der ersten Erhebungswelle und wurden zwischen dem 8. und 25. Mai 2020 erhoben. Die Ergebnisse lassen sich auf die erwerbstätige Bevölkerung des Jahres 2018 – mit Ausnahme Selbstständiger und Beamter – hochrechnen. Kleinere Differenzen zur entsprechenden Bevölkerungsgruppe im Jahr 2020 könnten vor allem an den Rändern der Altersverteilung auftreten.
Die hier präsentierten Befunde beschränken sich auf sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Alter von 18 bis 60 Jahren mit Kindern bis 18 Jahren im Haushalt, die die Frage nach veränderten Belastungen durch Kinderbetreuung beantwortet und Angaben zur Arbeitszeit und zur Inanspruchnahme von Heimarbeit gemacht haben. In die Analysen zur Zufriedenheit werden nur Personen aufgenommen, die Angaben zu allen abgefragten Zufriedenheitsvariablen gemacht haben. Die Frage zur Belastung lautete: „Ist für Sie persönlich die Belastung durch die Kinderbetreuung durch die Corona-Krise eher gestiegen, gleichgeblieben oder eher gesunken?“. Die Antwortmöglichkeiten waren: Stark gestiegen, etwas gestiegen, weder gestiegen noch gesunken, etwas gesunken, stark gesunken.
Für die multivariaten Analysen wurden Probit-Schätzungen (stark gestiegene Belastung = 1, sonstige = 0) und OLS-Schätzungen (Zufriedenheit, Skala 0-10) durchgeführt. Um mögliche Erklärungsfaktoren zu überprüfen, wurde auch erhoben, ob die Befragten einen Partner oder eine Partnerin haben, ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, wie hoch die Zahl der Kinder im Haushalt ist, welchen Berufsabschluss die Betroffenen haben, welcher Altersgruppe sie angehören, wie hoch das Haushaltsnettoeinkommen ist, welche Wochenarbeitszeit sie vor der Corona-Krise hatten, ob sich die Arbeitszeit durch die Krise um mindestens 5 Stunden pro Woche (mehr beziehungsweise weniger) verändert hat, ob sie in Kurzarbeit sind oder waren und ob sie in der letzten Arbeitswoche (teilweise) zu Hause gearbeitet haben. In den Zufriedenheitsschätzungen wurde außerdem berücksichtigt, ob die Befragten eine stark gestiegene Belastung durch die Kinderbetreuung angegeben haben. Diese Variable wurde zusätzlich mit dem Geschlecht interagiert.
Literatur
Frodermann, Corinna; Grunau, Philipp; Haepp, Tobias; Mackeben, Jan; Ruf, Kevin; Steffes, Susanne; Wanger, Susanne (2020): Online-Befragung von Beschäftigten: Wie Corona den Arbeitsalltag verändert hat, IAB-Kurzbericht Nr. 13.
Kruppe, Thomas; Osiander, Christopher (2020): Kurzarbeit in der Corona-Krise: Wer ist wie stark betroffen? (Serie „Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt“). In: IAB-Forum, 30.6.2020.
Möhring, Katja; Naumann, Elias; Reifenscheid, Maximiliane; Blom, Annelies G.; Wenz, Alexander; Rettig, Tobias; Lehrer, Roni; Krieger, Ulrich; Juhl, Sebastian; Friedel, Sabine; Fikel, Marina; Cornesse, Carina (2020): Die Mannheimer Corona-Studie: Schwerpunktbericht zu Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung.
Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2020): Monatsbericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt, Juni 2020.
Fuchs-Schündeln, Nicola; Stephan, Gesine (2020): Bei drei Vierteln der erwerbstätigen Eltern ist die Belastung durch Kinderbetreuung in der Covid-19-Pandemie gestiegen, In: IAB-Forum 18. August 2020, https://www.iab-forum.de/bei-drei-vierteln-der-erwerbstaetigen-eltern-ist-die-belastung-durch-kinderbetreuung-in-der-covid-19-pandemie-gestiegen/, Abrufdatum: 18. December 2024
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Autoren:
- Nicola Fuchs-Schündeln
- Gesine Stephan