Die Zahl der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger in Deutschland liegt seit Einführung der Grundsicherung im Jahr 2005 stets bei mehr als vier Millionen. Aber es gibt Bewegung, und die überwiegende Mehrheit hat es zumindest zeitweise geschafft, den Leistungsbezug zu verlassen und wieder ein eigenes Auskommen zu finden. Etwa eine Million hat diese Leistung hingegen durchgehend erhalten. 

Auf Basis des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS) wurde untersucht, was die größten Hindernisse auf dem Weg heraus aus Hartz IV sind. Dabei sind die Forscherinnen und Forscher auf folgende zentrale Arbeitsmarkthemmnisse gestoßen:

  • schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen
  • Langzeitleistungsbezug
  • ein Alter von über 50 Jahren
  • schlechte Deutschkenntnisse
  • fehlende Schul- und Ausbildungsabschlüsse
  • die Pflege von Angehörigen
  • die Betreuung von Kindern unter 18 Jahren, insbesondere aber von Kleinkindern unter drei Jahren. Vor allem Mütter stellt dies bei der Aufnahme einer Arbeit vor Probleme – nicht aber Väter. Hier scheinen nach wie vor traditionelle Geschlechterrollen wirksam zu sein.

Erwartungsgemäß kommen fast alle diese Arbeitsmarkthemmnisse unter Hartz-IV-Empfängern zahlreicher vor als in der übrigen Bevölkerung. Abbildung 1 zeigt die Verteilung der Zahl der Arbeitsmarktbarrieren unter Hartz-IV-Empfängern im Alter von 15 bis 64 Jahren: Nur fünf Prozent weisen keines der erwähnten Hemmnisse auf, 17 Prozent haben eines, bei 32 Prozent sind es zwei, und die restlichen 46 Prozent, also beinahe die Hälfte, weisen drei oder mehr solcher Hindernisse auf.

 

Jedes weitere Hemmnis halbiert die Chance, den Leistungsbezug zu verlassen

Wie sich diese Hemmnisse auf die Chance auswirken, eine Arbeit aufzunehmen, bei der man genug verdient, um den Hartz-IV-Bezug verlassen zu können, zeigt Abbildung 2. Innerhalb eines Jahres finden 32 Prozent derjenigen, die keines der definierten Hindernisse aufweisen, wieder eine solche Arbeit und lassen damit den Leistungsbezug hinter sich. Demnach kann grob gesagt werden, dass sich die Chance, den Leistungsbezug zu verlassen, mit jedem weiteren Hemmnis halbiert: Sie liegt bei 18 Prozent für Personen mit einem Hindernis, beträgt acht Prozent bei zwei Hemmnissen und sinkt dann auf vier, zwei und ein Prozent für Personen mit drei bis fünf Arbeitsmarktbarrieren.

 

Betroffene berichten, wie sie Arbeit gefunden haben

Mit dieser Erkenntnis wollten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IAB aber nicht zufriedengeben. Sie haben deshalb auch danach gefragt, wie es Personen, deren Situation am Arbeitsmarkt aufgrund mehrerer Hemmnisse besonders schwierig war, trotzdem geschafft haben, aus Hartz IV herauszukommen. Um diese Frage beantworten zu können, wurden Personen aus dem Datensatz von PASS herausgesucht, denen dies gelungen ist, und gefragt, ob man sie für ein ausführliches Interview besuchen dürfe. Die ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten in offenen Gesprächen ohne vorab festgelegte Fragen über ihr Leben berichten – insbesondere davon, wie sie wieder eine Arbeit gefunden haben und wer oder was ihnen dabei geholfen oder sie behindert hat. In den persönlichen Gesprächen mit 33 Personen in ganz Deutschland zeigte sich, dass die Beschäftigungsverhältnisse häufig gerade nicht auf dem üblichen Weg einer schriftlichen Bewerbung zustande gekommen waren. Viele der Befragten hatten zunächst unabhängig von Stellenausschreibungen und Vermittlungsangeboten eine Idee davon entwickelt, wo und als was sie künftig arbeiten könnten und wo ihre – oft sehr speziellen und oft auch nicht durch Zertifikate oder Abschlüsse dokumentierten – Fähigkeiten gut zu gebrauchen wären. Dann suchten sie den persönlichen Kontakt zu möglichen Arbeitgebern. Dies geschah oft über Bekannte, die ein gutes Wort für die Kandidaten einlegten, manchmal jedoch auch, indem die Bewerberinnen und Bewerber persönlichen Kontakt zu Personalverantwortlichen in Klein- und Mittelbetrieben aufnahmen und diese von ihren Fähigkeiten und dem Nutzen einer Beschäftigung überzeugten.

Neben dem positiven persönlichen Eindruck waren häufig noch Probearbeiten und ein Einstieg mit befristeten Verträgen und geringer Stundenzahl hilfreich, um schließlich zu der angestrebten auskömmlichen Beschäftigung zu gelangen. Ein weiteres Beispiel für solche erfolgreichen Suchstrategien war in einigen Fällen eine gemeinsam von Jobcenter-Mitarbeitenden und Arbeitsuchenden entwickelte und auf deren spezifischen Bedürfnisse abgestimmte Integrationsstrategie. Besonders das Miteinbeziehen von Anbietern spezieller Maßnahmen, beispielsweise für chronisch Kranke oder ältere Arbeitsuchende, war hier eine zusätzliche Hilfe.

Für den Weg aus Hartz IV gibt es kein Patentrezept

Insgesamt zeigt sich, dass die Wege aus dem Hartz-IV-Bezug für die befragten Personen mit mehreren Hemmnissen so vielfältig und individuell waren, dass sich daraus kein Patentrezept ableiten lässt. Sicherlich handelt es sich in keinem der befragten Fälle um puren Zufall oder Glück. Erfolgreich ist, wer auf eine günstige Gelegenheit trifft und seine Hemmnisse soweit managen kann, dass diese Gelegenheit auch ergriffen und genutzt werden kann. Das heißt: Ein erfolgreicher Abbau von Hemmnissen bedeutet erhöhte Chancen, in Arbeit zu kommen, immer begleitet von persönlichen Bemühungen. Doch dies zu erreichen, liegt oft nicht in der Macht einer oder eines Einzelnen, sondern bedarf der Unterstützung durch das nahe Umfeld, Jobcenter und auch Arbeitgeber. Außerdem waren nicht alle der beobachteten Übergänge in bedarfsdeckende Beschäftigung nachhaltig und die Unabhängigkeit von Grundsicherungsleistungen damit nicht dauerhaft. So mussten die Forscherinnen und Forscher leider auch feststellen, dass etwa ein Drittel der Befragten im Untersuchungszeitraum erneut arbeitslos geworden war – unter anderem deshalb, weil Beschäftigungsverhältnisse aus gesundheitlichen Gründen nicht fortgeführt werden konnten, oder bei der Einstellung getroffene Arrangements nicht fortgeführt wurden wie beispielsweise Rücksichtnahme auf Betreuungsverpflichtungen von Alleinerziehenden. Zwei Drittel der Befragten waren jedoch weiterhin in Arbeit und nicht mehr auf Hartz IV angewiesen. Bezogen auf die große Zahl der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer bleiben sie zwar Einzelfälle, doch zeigen sie Auswege aus dem Langzeitbezug.

Es ist schwer, generelle Empfehlungen für einen erfolgreichen Übergang in Beschäftigung für diejenigen abzuleiten, die nur schwer Zugang zum Arbeitsmarkt finden. Dennoch: Auf der Grundlage der Ergebnisse der Einzelfallanalysen scheint es von Vorteil zu sein, die üblichen, stark formalisierten Bewerbungswege durch eine persönliche Ansprache und eine positive Selbstpräsentation bei Arbeitsvermittelnden und potenziellen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu umgehen. Dies ist am ehesten bei Klein- und Mittelbetrieben zu erwarten.

Ausführlichere Ergebnisse zu diesem Projekt finden Sie im folgenden Artikel:

Beste, Jonas; Trappmann, Mark (2016): Erwerbsbedingte Abgänge aus der Grundsicherung: Der Abbau von Hemmnissen macht’s möglich. IAB-Kurzbericht Nr. 21 (im Internet verfügbar unter: https://doku.iab.de/kurzber/2016/kb2116.pdf).

 

 

 

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